Elsa und Mimmi aus sieben Sachen

Guten Tag,

kommt das Beste immer zum Schluss? Darüber das kann ich selbst an dieser Stelle natürlich nicht entscheiden.

Veröffentlicht wird diese Geschichte zu einer Zeit, in die sie vielleicht nicht passt. Aber in gewisser weise passt sie immer. Denn es geht auch um Freundschaft, ein Thema, das jeder Zeit wichtig ist.

Viel freude mit dieser Geschichte aus der Rubrik Tierisches.

Liebe Grüße

Paula Grimm

Elsa und Mimmi

Elsa lebte mit sieben anderen Mutterschafen, einem frechen Jährling und einem Bock zusammen. Die Herde gehörte einem alten Schäfer, Richard Weigand, der bis vor zwei Jahren mit einer weitaus größeren Herde, die mehr als zweihundert Mutterschafe gezählt hatte, umhergezogen war. Inzwischen war er Rentner und lebte auf dem Bauernhof, den er von seinen Eltern geerbt hatte und ließ die Schafe ausschließlich das Land abweiden, das zum Anwesen gehörte. Anderes Vieh hielt Weigand nicht. Und der Bock erklärte immer wieder, wie gut das war. „Kühe, Ziegen Schweine und Federvieh untergraben den Zusammenhalt, die Moral und die Sitten einer Herde!“

Seine kleine Herde hielt Weigand, weil der Schäfer nun mal das Scheren nicht lässt. Und was das Scheren betraf, war Elsa froh, denn ihr Hirte konnte diesbezüglich mit ihr sehr zufrieden sein. Schließlich hatte sie im vergangenen Sommer vier Kg Wolle gegeben. Nach dem Auswiegen ihrer Wolle hatte der Schäfer stolz gesagt: „Das ist sehr gut! Es gibt immer mehr Leute, die nach schwarzer Wolle verlangen!“ Aber wirklich getröstet wäre Elsa nur gewesen, wenn sie tatsächlich jemanden kennengelernt hätte, der ihre schwarze Wolle wirklich mochte, denn es war überhaupt nicht leicht, das schwarze Schaf zu sein, auch nicht oder gerade in so einer kleinen Herde.

Außer Tilla mochte kein anderes Schaf neben ihr grasen oder schlafen. Und Bella, die sich immer sehr wichtig vorkam, nicht zuletzt, weil sie einen großen Stein im Brett des Bockes hatte, behauptete immer wieder: „Die Tilla bleibt nur in deiner Nähe, weil sie zu dumm ist, dich nicht zu mögen.“
Auch der Bock übersah Elsa meist geflissentlich. Und wenn er doch einmal in ihre Nähe kam, stampfte er zornig mit dem Vorderhuf auf und senkte drohend den Kopf.

Eines Morgens im November beobachteten die Schafe, dass Bella, die nicht nur besonders schön, sondern auch besonders neugierig und schwatzhaft war, am Rand des Pferchs stand und aufmerksam einem Gespräch folgte, das der Schäfer mit einem fremden Mann führte. Die anderen Schafe wollten schon hingehen, um endlich auch zu erfahren, worum es ging, als Bella sich umdrehte und mit wichtiger Miene auf die Mitte der Weide zusteuerte.
„Hört mal alle her!“, rief sie. Und alle Schafe bildeten einen Kreis um Bella.
„ich muss euch was erzählen!“, fuhr Bella so aufgeregt fort, dass ihre Stimme zitterte und höher klang als gewöhnlich, sodass ihre Schwester Emma, die immer eifersüchtig auf Bella war, spitz bemerkte: „Verdammt nah an der Ziege heute, was?“
Bella ließ sich nicht beirren und sprach weiter: „In der Stadt wird es einen Weihnachtsmarkt mit einer lebendigen Krippe geben. Und weil wir eine so schöne, kleine Herde sind, sind wir mit dabei. Und an jedem Sonntag in der Vorweihnachtszeit wird es ein Adventssingen geben mit der Krippe malerisch im Hintergrund. Und zu diesem Singen kommt immer das Fernsehen!“
„Fernsehen?“, fragte Tilla.
„Das ist mal wieder typisch, dass du das nicht kennst!“, meinte der Jährling herablassend.
„Der Schäfer erzählt doch immer davon. Im Fernsehen kann man alles über die Welt erfahren. Und im Fernsehen gibt es nur berühmte Persönlichkeiten.“
„Und weil das nur, was für Prominente ist, und weil uns die ganze Welt sehen wird,“, fiel Bella dem Jährling ins Wort und sprach dann weiter: „Darum müssen wir einen ganz besonders guten Eindruck machen.“ Und nach einer kurzen Pause fügte sie ganz leise hinzu: „Für mich ist das ja überhaupt kein Problem.“

Dann sahen die Schafe einander an, und der Jährling knuffte Elsa in die Seite: „Dich können wir aber nicht mitnehmen, wenn wir einen guten Eindruck machen sollen. Du passt nicht zu uns. Und abends, wenn es dunkel ist, sieht dich sowieso kein Schwein, du Mistvieh!“
„Mist machst du auch nicht gerade wenig!“, versuchte sich Elsa zu verteidigen.
„Du kannst mich mal! Ich werde diese Herde berühmt machen mit meiner Show! Schließlich beobachte ich die größeren Enkel des Schäfers immer, wenn sie für das Casting üben.“ Und der Jährling begann auf den Hufen zu tänzeln und Laute auszustoßen, die manchmal kurz und abgehackt und dann langgezogen oder sogar auf- und abschwellend klangen. Währenddessen stritten die anderen Schafe darüber, welches von ihnen das schönste und hellste Fell hatte.

Der Bock machte diesem Geschrei ein Ende, indem er mit dem Kopf kräftig gegen den Unterstand stieß, den der Schäfer erst vor einigen Tagen aufgestellt hatte. Und der Bock brüllte: „Ruhe in der Herde! Ihr versteht wieder einmal den Ernst der Lage und die Wichtigkeit des Ereignisses nicht. Es geht hierbei um nichts Geringeres als um die Schafsehre, die Bedeutung des Schafswesens für die Weihnachtsgeschichte an sich. Und darum werdet ihr nur genau das tun, was ich euch sage. Und das gilt ganz besonders für dich!“
Der Bock sah in Elsas Richtung und stampfte drohend mit dem Vorderhuf auf. „Individuen wie du, eh, schwarze Schafe, sind sogar in der Menschheit berüchtigt und verschrien. Weigand wird zwar darauf bestehen dich mitzunehmen, weil du nun mal zur Herde gehörst, aber du wirst dich gefälligst vollkommen im Hintergrund halten. Du bist zwar keine Schande für die Menschheit aber dafür umso mehr für das Schafswesen!“

Etwa zwei Wochen später verlud der Schäfer die zehn Tiere auf den Hänger an seinem Traktor. Es war ein kalter Nachmittag mit Schneeregen. Elsa fühlte sich nicht wohl. Sollte die Zeit bei der lebendigen Krippe so werden, wie die Fahrt dorthin war, sah sie sehr dunklen Tagen entgegen. Auf dem Hänger stand sie zwischen Emma und Bella, die sie immer wieder in die Seite knufften. Vor Elsa stand der Jährling, der sich zu ihr umgedreht hatte, und einige Male nach ihr biss.

Schließlich hielt Weigand an und ließ die Schafe aus dem Anhänger. Auf dem Platz, auf dem der Weihnachtsmarkt stattfinden sollte, herrschte bereits geschäftiges Treiben, denn viele Menschen waren dabei Stände und Fahrgeschäfte aufzubauen. Als die Schafe auf den Stall, der sich direkt neben dem Weihnachtsmarkt befand, zugingen, hörten sie zwei laute Stimmen.

„ich bin für die Weihnachtsgeschichte unendlich wichtig und deshalb gebührt mir der Ehrenplatz ganz vorn in der Krippe!“, rief ein Esel.
„Ich wirke viel beruhigender auf die Menschen als du, durch meine imposante Größe und meine Gelassenheit!“, muhte ein Ochse.

Als die beiden aber die Schafe sahen, riefen sie wie aus einem Maul: „Ihr dummes Gesindel haltet euch gefälligst in der lebendigen Krippe ganz im Hintergrund!“, und der Esel fügte hinzu: „Ihr kommt in der Weihnachtsgeschichte ja nur deshalb vor, weil die Hirten bei euch gewacht haben. Ihr seid also höchstens indirekt beteiligt.“

Und während Weigand mit zwei anderen Männern, die wahrscheinlich die Besitzer von Ochs und Esel waren, den Stall für die Nacht vorbereitete, hielt der Bock eine Rede zur Verteidigung des Schafswesens vor allem für die Weihnachtsgeschichte.
„Wir Schafe repräsentieren das einfache Leben und die Friedlichkeit des Gottesreiches! Und das gilt in besonderem Maße auch innerhalb der Weihnachtsgeschichte. Das schöne Wollweiss unserer Felle wirkt auf die Menschen anheimelnd, friedlich und freundlich, was man auch daran erkennen kann, dass sie uns zur Beruhigung zählen, wenn sie abends im Dunkeln liegen und nicht schlafen können. Unser Fell leuchtet dann für sie besonders friedlich und freundlich. Wer käme denn auf die Idee Ochsen oder Esel vor dem Einschlafen zu zählen?“

Der Hinweis des Bockes auf dieses Einschlafritual der Menschen veranlasste Elsa sich in den hintersten Winkel des Stalles zurückzuziehen. Denn sie erinnerte sich noch zu gut an den Streit, den sie einmal mit Bella über diese Sitte gehabt hatte.
„Dass schwarze Schafe wirklich nichts taugen, kann man ja ganz einfach daran erkennen, dass man so was wie dich vor dem Einschlafen nicht zählen kann, weil man dich im Dunkeln ja überhaupt nicht sieht! Außerdem bekommen die Menschen, wenn sie so was wie dich sehen, nur noch mehr Albträume als sie ohnehin schon haben.“
„Ich kann doch ganz beruhigend und freundlich blöken!“
„Und was glaubst du wohl, wer dein furchtbar gewöhnliches Blöken vor dem Einschlafen hören will, he?“
Und um die Diskussion zu beenden, hatte Bella Elsa wieder einmal kräftig in die Seite geknufft.

Als Elsa den geordneten Rückzug angetreten hatte, und es sich im hintersten Winkel so gemütlich als möglich gemacht hatte, gingen die Streitigkeiten mit unverminderter Schärfe weiter. „Schönes Fell?“, höhnten Ochse und Esel wie aus einem Maul.
„Mein Fell ist viel schöner als eure Felle durch seine einzigartige schwarzweiße Zeichnung.“
„Es stimmt! Das Weisß eurer Felle ist langweilig und eintönig. Außerdem muss ich betonen, dass grau nicht gleich grau ist. Und wusstet ihr schon, dass sich Esel wieder großer Beliebtheit bei den Menschen erfreuen, und dass ich aus einer großen Zahl meiner Artgenossen für die Präsenz bei dieser lebendigen Krippe auserwählt worden bin? Ich bin also das Aushängeschild des Eseltums.“

Da die Menschen ihre Arbeit getan hatten und fortgegangen waren, und weil der Esel nach seiner Rede erst einmal verschnaufen musste, da er sich doch sehr aufgeregt hatte, trat Stille ein, in der plötzlich eine leise, aber sehr klare Stimme zu vernehmen war. Die Stimme kam von oben und fragte: „Was genau meinst du mit einer großen Zahl?“

Alle sahen nach oben. Es war Bella, die als Erste die Sprache wieder fand. „Ruhe da oben auf den billigen Plätzen. Wer bist du mickriges Mistvieh überhaupt?“
„Zugegeben, Mimmi heißt man als Katze nur, wenn man mal einen Menschen hatte, dem kein besserer Name eingefallen ist. Und ich hatte früher so einen Menschen, der bis auf seine Einfallslosigkeit wirklich in Ordnung war. Aber, was tun mein Name und vor allem meine Größe jetzt zur Sache?“

Mimmi war wirklich mickrig, schwarz und mager. Außerdem fehlte ihr das rechte Auge. Doch sie saß sehr gelassen auf einem Dachbalken. Und es war ihr anzusehen, dass sie beschlossen hatte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und sich souverän zu behaupten.

„Dir ist wohl überhaupt nicht klar, wo du hier bist! Dies ist eine lebendige Krippe, die den Menschen die Weihnachtsgeschichte erlebbar machen soll. Hier haben also Herumtreiber wie du absolut nichts verloren. Wer hat jemals davon gehört, dass Katzen in der Weihnachtsgeschichte vorkommen? Da kommen noch eher Hunde vor, die die Schafe gehütet haben. Und hüte dich gefälligst davor, dich bei den Filmaufnahmen zu zeigen, wenn du schon nicht gehen willst!“, blökte der Bock böse.

„Dass das hier eine lebendige Krippe ist, pfeifen die Spatzen schon seit Wochen von den Dächern. Und auch das mit den Adventssingen ist schon lange in aller Munde. Das alles interessiert mich nicht. Ich bin nur wegen der Mäuse hier, die sich schon längst hier eingenistet haben und euer Futter fressen und alles verdrecken werden. Zwei habe ich eben schon erledigt. Dieses Pack wird auch immer dreister und arroganter. Die wissen längst, dass ich hier bin, und versuchen mir auf der Nase herumzutanzen. Sie halten mich für einen Gegner, den man nicht ernst nehmen muss, weil es viel größere Katzen gibt. Ich werde es mir hier irgendwo im Hintergrund gemütlich machen, wenn ich nicht gerade Mäuse jagen muss. Also braucht ihr keine Angst zu haben, dass ich euch die Show stehle. Ich bin wirklich nur deshalb hier, um meine Pflicht zu tun, wie es mindestens einer meiner Vorfahren in der echten Weihnachtsgeschichte auch getan hat.“
„Was bildest du dir eigentlich ein? Katzen kommen nicht in der Weihnachtsgeschichte vor und damit basta! Das wird ja immer schöner. Heutzutage darf sich wohl wirklich jeder in der Weihnachtsgeschichte wichtigmachen. Das können wir doch nicht zu lassen!“ Der Bock war außer sich vor Zorn und stampfte mehrfach drohend mit dem Vorderhuf auf.

Mimmi sagte: Ihr glaubt wohl alles, was euch die Menschen als Flöhe in den Pelz setzen. Was die Zweibeiner betrifft, seid ihr wirklich ausgesprochen naiv. Wir Katzen nähern uns den Menschen grundsätzlich mit gesundem Vorbehalt. Und daher wissen wir, dass die meisten von ihnen keinen Sinn für Wesentliches haben. Und aus diesem Grund halten sie oft bedeutsame Dinge für allzu selbstverständlich. Wer hat denn wohl dafür gesorgt, dass die Vorräte für eure Vorfahren und für die heilige Familie den Ratten und Mäusen nicht zum Opfer gefallen sind?“

Bella warf sich stolz in die Brust und verkündete: „Das ist doch klar! Das war der heilige Geist! Der heilige Geist fuhr vom Himmel herab, kurz bevor die heilige Familie im Stall eintraf und säuberte den Stall von Ratten und Mäusen und gab diesem Ungeziefer die Erkenntnis ein, dass sie nicht nur weggehen sollten, sondern sich für die bestimmte Zeit vom Stall fernzuhalten hatten, eben, bis die heilige Familie weggezogen war.“

Allmählich schien Mimmi doch die Geduld zu verlieren, was an dem zunehmend durchdringlicheren Glanz ihres smaragdgrünen Auges zu erkennen war. Und Elsa nahm an, dass ihr Schwanzende vor Aufregung zuckte, wie sie es häufig bei der dreifarbigen Katze beobachtet hatte, die bis zum Herbst mit ihnen auf dem Hof gelebt hatte.
„Vom Himmel herabfahren, um Ratten und Mäusen Erkenntnisse einzugeben, warum sollte dieser überflüssige Aufwand nötig sein? Schließlich hatte der Chef da oben uns längst erschaffen, damit wir diese Plagegeister kurzhalten!“
„So eine heruntergekommene Größenwahnsinnige!“, brüllte der Bock.

Nachdem er so geschimpft hatte, war mehrmals ein leises Geräusch zu hören. Mimmi fauchte und ließ ihren Schwanz durch die Luft peitschen. Jetzt war sie richtig zornig. Und um sich selbst zu beruhigen, murmelte sie vor sich hin: „Und meine Vorfahren haben doch ihren Platz in der Weihnachtsgeschichte gehabt, ob die Menschen sie erwähnen oder nicht! Sie haben ihre Pflicht getan. Und sie haben den Stall durch ihr Schnurren zu einem gemütlichen Ort gemacht. Von Gemütlichkeit und Annehmlichkeiten verstehen wir nämlich was.“
Wenn das wirklich wahr ist, dürfte es für dich ein Leichtes sein uns zu beraten, wer von uns die angenehmste Ausstrahlung hat und deshalb die Nummer eins in der Weihnachtsgeschichte ist!“, sagte der Ochse.

Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden. An der Art ihrer Zustimmung hörte Elsa, wie sehr jeder von ihnen davon überzeugt war, als Hauptdarsteller ausgewählt zu werden. Die Katze merkte das wohl auch. Und daher wollte Mimi zunächst nicht auf diese Idee eingehen. Darüber hinaus hatte sie längst genug von diesen Streitereien. Doch schließlich ließ sie sich doch dazu überreden, auch weil sie hoffte, so bei irgendjemandem einen warmen und gemütlichen Platz für die Adventszeit zu finden. Und so sprang sie zunächst dem Ochsen, dann dem Esel und danach auch den neun Schafen auf den Rücken. Und sie versuchte es sich bei jedem so gemütlich wie möglich zu machen, legte sich hin, streckte sich gemütlich aus, rollte sich zusammen, drehte sich auf die andere Seite, streckte sich aus und rollte sich zusammen. Und sie kam immer zum gleichen Ergebnis: „Nicht übel aber nicht wirklich toll und freundlich!“
Schließlich sprang Mimmi auf die Raufe und verfiel in nachdenkliches Schweigen.
„Alles nur Angeberei!“, maulte Bella, und der Jährling fügte hinzu: Natürlich! Sonst hätte sie sofort gemerkt, wer hier die beste Ausstrahlung hat, und wer der Star ist, ich natürlich!“
Es entstand eine Pause. Aber schließlich sagte Mimmi: „Irgendwie seid ihr alle ganz schön, auch wenn keiner von euch eine besonders freundliche Ausstrahlung hat. Ihr könntet euch ja auch damit abwechseln in der Weihnachtsgeschichte, eh, in dieser lebendigen Krippe wichtig zu sein und im Vordergrund zu stehen.“
Und Mimmi war die Enttäuschung darüber, dass sie keinen Freund für die nächste Zeit gefunden hatte, deutlich anzuhören.

Schließlich fiel die Katze in ein langes und tiefes Schweigen. Schließlich jedoch leckte sich Mimmi, nur um sich wieder zu sammeln die rechte Vorderpfote und ließ dann den Blick ihres verbliebenen Auges wie zufällig durch den hinteren Teil des Stalles schweifen. Plötzlich sprang sie mit zwei gekonnten Sätzen auf Elsas Rücken. Sie legte sich hin, streckte sich gemütlich aus, rollte sich zusammen, rollte sich dann auf die andere Seite, streckte sich aus und rollte sich wieder zusammen. Und endlich sagte sie so laut, dass es alle hören konnten: „Entschuldige vielmals! Beinahe hätte ich dich vollkommen übersehen und dass auch nur, weil es die dumme Zankerei gegeben hat!“ Dann rollte sie sich richtig gemütlich zusammen und brummte zufrieden: „Bei dir bleibe ich!“ Und dann begann sie laut zu schnurren.

„Das ist ja wieder mal so was von typisch! Schwarzes, unheilbringendes Pack, verträgt sich!“, schnauzte der Bock und fügte mit drohendem Unterton in der Stimme hinzu: „Aber, wenn ihr euch wirklich vollkommen im Hintergrund haltet, passiert euch nichts!“ Damit ließ er es endlich bewenden und wandte sich mit den anderen Tieren der Streitfrage zu, wer sich in der nächsten Zeit wann und wie wichtigmachen durfte.

Da Elsa und Mimmi sorgfältig darauf achteten, vollkommen im Hintergrund zu bleiben, und da die anderen Tiere allzu sehr damit beschäftigt waren, sich wichtig zu machen und sich dabei misstrauisch zu belauern, blieben die schwarze Katze und das schwarze Schaf in der Zeit bei der lebendigen Krippe von bösartigen Nachstellungen unbehelligt. Und auch, was alles andere betraf, war es eine wundervolle Zeit. Die Umgebung war angenehm, und das Futter war gut und reichlich. Viele zauberhafte Düfte wehten vom Weihnachtsmarkt herüber. Und Elsa war sicher, dass sie den anheimelnden Duft von Tannenzweigen, Tees, Kerzen, Gewürzen, Kuchen und Mandeln nie würde vergessen können. Abends wurde es dann immer besonders zauberhaft und feierlich, denn zu den wunderbaren Gerüchen war der Glanz von vielen kleinen und großen Lichtern zu sehen.

Doch die Katze lässt nicht nur das Mausen nicht. Und so beschäftigte sich Mimmi häufiger und nach Herzenslust auf ihre ganz eigene Art. so beobachtete ein kleines Mädchen am vierten Advent, wie Mimmi auf dem Stalldach waghalsige Kletterübungen machte.
„Oma, guck mal!“, rief es fröhlich. Mutter und Großmutter folgten dem Blick des Kindes. In diesem Augenblick sprang die schwarze Katze mit einem gekonnten und eleganten Satz auf Elsas Rücken und machte es sich dort so richtig bequem. Die drei Menschen kamen zu Elsa und Mimmi herüber. Die alte Frau fasste in Elsas Wolle und streichelte sie.
„Na, das gibt im nächsten Jahr mindestens einen schönen, warmen Pullover. Und schwarz ist ja auch immer so schick!“

Das Mädchen fragte seine Mutter, ob es Mimmi mitnehmen dürfe. Aber die wollte nichts davon hören.

Als die drei Menschen schließlich gegangen waren, bedankte sich Elsa bei Mimmi, weil sie durch sie endlich einen Menschen getroffen hatte, der ihre schwarze Wolle wirklich mochte. Aber sie war auch sehr traurig, dass die kleine, schwarze Katze immer noch kein richtiges Zuhause gefunden hatte. Doch dann hatte sie eine Idee.
„Du könntest doch mit uns nach Hause fahren, wenn die Zeit der lebendigen Krippe vorbei ist und der warme Stall wieder abgerissen wird. Bei uns gibt es einen schönen, warmen Stall, in dem es immer wieder Ratten und Mäuse gibt. Und die Enkelkinder des Schäfers waren zu der dreifarbigen Katze, die bis zum Herbst auf dem Hof gelebt hat, sehr freundlich. Sie haben viel mit ihr gespielt und ihr manche Leckerei zugesteckt.“
„Aber ich bin doch keine dreifarbige Glückskatze, sondern nur ein mickriger, schwarzer Streuner. Und die anderen Tiere werden mich nicht akzeptieren.“
„Aber wir sind immerhin zu zweit!“
Aber natürlich konnte Elsa Mimmi sehr gut verstehen. Und so redeten sie nicht weiter darüber.

Und dann kam der Tag, an dem der Weihnachtsmarkt zu Ende war. Weigand führte seine Schafe über den Platz, auf dem viele Menschen damit beschäftigt waren Stände und Fahrgeschäfte abzubauen. Er lud die Herde in seinen Hänger. Und Elsa dachte traurig daran, wie sehr sie Mimmi vermissen würde, als sie plötzlich spürte, wie die kleine, schwarze Katze auf ihren Rücken sprang und sich an ihrer Wolle festhielt.
Bella blökte sehr ungehalten: „Dieses kleine, schwarze Mistvieh von Katze muss aber ‚raus!“ Doch da schlug Weigand einfach die Klappe des Anhängers zu. Und als der Schäfer auf seinem Traktor gestiegen war, und sie durch die winterliche Landschaft nach Hause fuhren, war wirklich Weihnachten.
© Paula Grimm,01. Dezember 2017

Hildes Todesfall (Frauengeschichten sieben Sachen)

Auch die zweite Geschichte in der Kategorie Frauengeschichten in den sieben Sachen handelt von einem Todesfall, aber auch von Freundschaft.

Ursprünglich wurde diese Geschichte für die Schreibgruppe der evangelischen Blindenseelsorge im Rheinland im November 2003 verfasst.

HILDES TODESFALL

„Die Hilde ist plötzlich aufgestanden und auf eine junge Frau zugegangen. Die stand mit Freunden ziemlich nah bei den U-Bahngleisen. Die jungen Leute stritten darüber, was sie mit dem Freitagabend anfangen sollten. Die Hilde hat die junge Frau gegrüßt. Jedenfalls nehme ich das an. Verstehen konnte ich nichts. Sie machten gerade wieder eine Durchsage. – Doch, die Hilde hat sie gegrüßt, schüchtern, wie wir das machen, wenn wir Leute treffen, die wir von früher kennen. Die junge Frau hat auch etwas gesagt. Und eine Bewegung mit dem Arm hat sie gemacht. Die Hilde wankte, fiel ins Nichts, während die Linie 12 einfuhr. Und plötzlich fielen die Geräusche ineinander, wurden zu einem einzigen mächtigen Geräusch. Da macht man die Augen zu oder guckt weg, weil das Geräusch mit einem Mal so mächtig, übermächtig, ist, dass man erst mal mehr als genug hat.“

„Fiel ins Nichts, so ein Quatsch! Halt dein versoffenes Maul Alte!“ Inge antwortete nicht auf die Beschimpfung des jungen Mannes. Er war wie die anderen jungen Leute instinktiv zurückgewichen und stand jetzt unmittelbar neben Inge, die immer noch auf der Bank saß, auf der sie bis vor wenigen Sekunden, bis vor einer halben Ewigkeit, mit Hilde gesessen hatte.

Sie sah nicht zu den Gleisen hinüber. Sie wusste, dass es dort nichts zu sehen gab, was sie verstehen konnte. Sie betrachtete die jungen Leute. Der junge Mann, der sie beschimpft hatte, war seiner Haltung nach der unumstrittene Anführer. „Also hat der bloß eine dicke Lippe riskiert, weil die Anderen es von ihm erwartet haben, vorsichtshalber sozusagen!“ dachte Inge. Es war das typische Cliquenverhalten. Aber waren sie nicht alle doch schon ein bisschen zu alt für eine typische Clique? Hilde wusste aber, dass man sich immer so leicht verschätzte, weil die Meisten immer anders wirkten und sein wollten, als sie waren. Alle waren sorgfältig zurecht gemacht. Inge konnte sich nicht daran erinnern, jemals so aufgetakelt gewesen zu sein, obwohl sie auch bessere Zeiten erlebt hatte als diese, wesentlich bessere Zeiten. Dieser junge Mann und seine Freunde mussten nicht wissen, warum Inge mit sich selbst geredet hatte. Sie wollte doch nur begreifen, was passiert war, und was vorging. Für den Anfang musste dazu wohl eine einfache logische Kette genügen. „Fremde Leute beschimpfen, aber die ganze Zeit nur auf die Armbanduhr starren. – Dich meinen und dich doch nicht meinen, so ein feiger Hund!“

Leute von der Feuerwehr, dem technischen Hilfswerk und der Polizei trafen ein. „Guten Abend! Die Station muss geräumt werden, wenn Sie bitte so freundlich wären, uns n oben zu begleiten, damit wir Ihre Personalien aufnehmen können, und Sie uns freundlicherweise erklären können, was Sie gesehen haben!“, sagte eine junge Polizeibeamtin zu ihnen. Und Inge rappelte sich auf. Gerade das Aufstehen war für Inge seit einiger Zeit doch sehr beschwerlich. Aber einmal in Gang gekommen, wurde es zumindest etwas leichter. „Warum sollen wir mitkommen? Wir haben mit dieser, äh, Sache nichts zu tun!“ beschwerte sich der Anführer stellvertretend für alle Cliquenmitglieder. Die Beamtin würdigte er zwar eines Blickes, war aber ansonsten nicht freundlicher als zu Inge. „Wir wollen nur Ihre Zeugenaussagen aufnehmen!“ erklärte die Polizistin ruhig. Und die jungen Leute folgten den Beamten, wenn auch widerwillig zur Rolltreppe, die ins Zwischengeschoss der U-Bahnstation fuhr.

Inge bildete das Schlusslicht.

Als sich Inge auf die Rolltreppe stellte, musste sie an etwas denken, dass Hilde gesagt hatte: „Es ist ganz egal, wann man mit der Rolltreppe fährt, die Luft, die von der Klimaanlage hier ‚runtergeschubst wird, beißt immer. Ob sie warm oder kalt, feucht oder trocken ist, sie beißt, weil sie einfach nicht nach unten will.“ Und Hilde und Inge waren die Letzten, die ihr das verübelten, obwohl oder gerade, weil sie selbst, sich die meiste Zeit, fast freiwillig, unten aufhielten. In das Mittelgeschoss trauten sie sich häufiger. Denn dort gab es mehrere Imbissbuden und Bäckereien. Manchmal war Hilde aber auch allein auf Beutezug gegangen. Denn sie hatte ein sehr gutes Auge für Leute, die etwas übrig ließen. Und sie konnte unauffällig und geduldig wie eine Katze, die auf Beute lauert, warten, bis etwas für sie abfiel.Nach oben, auf den Markt, gingen sie nur, wenn sie unten vertrieben wurden, was inzwischen nicht mehr ganz so häufig vorkam, wie noch vor ein paar Monaten. Oben hatten andere ihr Revier. Und deshalb ging Inge auch an diesem Abend nur zögernd auf die Rolltreppe, die ganz nach oben führte. – Ganz nach oben?

Auf dem Markt angekommen, führten die Beamten die Gruppe zu einem Polizeiwagen. Inge blieb etwas abseits stehen und wartete darauf, von den Polizisten irgendwann befragt zu werden. Sie stand im Licht einer Straßenlaterne. Die Lampe spendete ein orangefarbenes Licht. Es regnete. Inge war froh darüber, nicht unter einer Laterne mit weißgrünlichem Licht zu stehen. In diesem Licht hätte sie wie eine Wasserleiche ausgesehen. Inge erinnerte sich plötzlich daran, wie es gewesen war, als sie noch eine eigene Wohnung in einem Mietshaus gehabt hatte, und wie es ausgesehen hatte, aus einem höheren Stockwerk bei Regenwetter auf diese orangefarbenen Lampen zu sehen. Von da oben hatte es ausgesehen, als wäre es kein Regen, sondern fließendes Gold, was sich auf die Straße ergoss. „So weit nach oben, dass ich das noch mal sehen kann,komme ich wohl nicht mehr. Und so allein, ohne die Hilde, bin ich inzwischen auch ein zu großer Angsthase, um so weit oben und so normal zu sein. Aber war die Hilde überhaupt jemals so weit oben gewesen, um nachts von oben auf die Orangefarbenen Laternen und den Regen gucken zu können?“

Wahrscheinlich hatte Hilde diesen Anblick nicht gekannt. Denn Hilde kam ursprünglich aus dem Umland der Großstadt, wo alles kleiner und weniger glanzvoll gewesen war. Diese eher ländliche Umgebung hatte Hilde gefallen. Sie hatte häufiger davon gesprochen, zum Beispiel von den Gärten. Aber von der Familie, die sie gehabt hatte, und die zerbrochen war, hatte sie dagegen kaum etwas erzählt. Hilde hatte einen Mann gehabt und zwei Kinder. Die Kinder waren inzwischen erwachsen. Die beiden hießen Niels und Nina und kamen, wie Hilde gemeint hatte, Gott sei Dank auf ihren Vater. „Hilde, erinnerst du dich noch an das Gespräch von den beiden jungen Frauen, die auf die Vier warteten und sich gefragt haben,warum man so oft nicht zu anderen Menschen durchkommt, warum man so oft nicht verstanden wird. Und wie die Eine zu der Anderen sagte dass jeder Mensch eben eine eigene, ganz andere Welt ist. Und dann kam ihre Bahn und du hast gesagt: „Wenn das stimmt, dann ist jeder hier unten eine eigene, ganz andere Unterwelt.“ Und recht hast du gehabt. Und weil das stimmt, musstest du weder mir, noch sonst jemandem alles von deiner buckligen Verwandtschaft erzählen.“

Es dauerte seine Zeit, bis die Beamten, die sich von der Ungeduld der jungen Leute nicht aus der Ruhe bringen ließen, die Personalien und Zeugenaussagen aufgenommen hatten. Die jungen Leute bekamen Termine, zu denen sie sich auf dem Präsidium melden sollten. Und als das vorbei war, standen sie plötzlich alle da, scharrten mit den Füßen, sahen sich in der Gegend um blickten auf ihre Uhren, beschäftigten sich mit dem Inhalt ihrer Taschen oder mit ihrer Aufmachung und konnten auf die Schnelle, an die sie normalerweise gut gewöhnt waren, ihre Unternehmungslust nicht wieder finden.

Die junge Beamtin kam mit ihrem Kollegen auf Inge zu. Und Inge kam das Gesicht der jungen Frau immer bekannter vor. Schließlich mussten sich die Beamten im Bereich der U-Bahnstation gut auskennen, denn hier gab es für sie häufiger etwas zu tun. So kannten sie auch Hilde und Inge, zumindest den Namen nach, und deshalb war Inge keineswegs verwundert, dass die Beamtin zu ihr sagte: „Guten Abend, Inge!“ „Guten Abend! Wissen sie vielleicht, ob die Hilde noch lebt?“ „Die Leute vom technischen Hilfswerk und der Feuerwehr sind noch da unten beschäftigt, aber sie wissen schon, dass die Hilde tot ist. Du hast sie doch gut gekannt, die Hilde!“ „Lieber Gott mach‘, dass die Hilde jetzt so weit unten ist, dass sie nicht noch weiter nach unten fallen muss. Und sei ihrer Seele gnädig!“ Später konnte Inge beim besten Willen nicht mehr sagen, ob sie das Gebet vor sich hingesprochen hatte oder nicht. Aber sie kam damit immerhin dazu, sich so weit zu sammeln, um mit der Beamtin weiter sprechen zu können. „Ja, wir waren seit einem Jahr befreundet. und so lange kannte ich sie auch, na, jedenfalls so ungefähr. Ich weiß aber nicht, wie die Hilde weiter hieß. Bei uns verliert man den Nachnamen zuerst. Ich weiß nur, weil sie das irgendwann wahrscheinlich ausversehen gesagt hat, dass sie nicht so hieß wie der Mann, den sie mal gehabt hat.“ „Und was ist eben passiert?“

„Die Hilde ist plötzlich aufgestanden und auf eine junge Frau zugegangen. Die stand mit Freunden ziemlich nah bei den U-Bahngleisen. Die jungen Leute stritten darüber, was sie mit diesem Freitagabend anfangen sollten. Die Hilde hat die junge Frau gegrüßt. Jedenfalls nehme ich das an. Verstehen konnte ich nichts. Sie machten gerade wieder eine Durchsage. – Doch die Hilde hat sie gegrüßt, schüchtern, wie wir das machen, wenn wir Leute treffen, die wir von früher kennen. Die junge Frau hat auch etwas gesagt. Und eine Bewegung mit dem Arm hat sie gemacht. Die Hilde wankte, fiel ins Nichts, während die Linie 12 einfuhr.“

„Hat die junge Frau sie gestoßen? Ist sie verantwortlich für den Sturz?“ Die Fragen waren naheliegend und berechtigt. Das spürte Inge sofort. Aber das half nicht bei der Beantwortung der fragen. Schließlich fand Inge in ihrem Wortschatz Begriffe für Antworten, Die zumindest einigermaßen taugten. „Ein Gericht wird in dieser Sache nichts finden können, um herauszufinden, wer oder was Schuld ist, nehme ich an. Aber Schuld gibt es wohl schon, alte Schuld, Ungerechtigkeit, die neu geworden ist, durch die Verleumdung und die Abweisung, die Hilde erfahren hat. Die beiden hätten auch viel weiter voneinander weg stehen können. Verleumdung und Abweisung machten den Arm lang genug für eine Berührung, die die Hilde einfach ins Wanken bringen musste, zu Fall bringen musste. Die Hilde war überhaupt nicht unberührbar, im Gegenteil.“ Inge behielt diese Worte genau im Gedächtnis und wunderte sich später darüber, so etwas gesagt zu haben. Sie traute ihren Ohren nicht, als sie sich die Zeit nahm, das Gesagte vor sich zu wiederholen. andererseits konnte sie nichts Falsches darin finden.

„Du sagtest, dass du den Eindruck gehabt hättest, dass sie einander kannten.“ „Ich bin mir sicher, dass sie sich kannten.“ Und ich werde es Ihnen beweisen.“ Langsam, so schnell wie es ihr möglich war, drehte sich Inge um. „Du kannst nicht einfach auf sie zeigen. Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute!“ dachte Inge. Außerdem konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass ihr Arm viel zu kurz war für eine so weite Geste, selbst wenn sie sie für die Beamten mit einigen Worten angeschoben oder verstärkt hätte. Also ging Inge mit ihren kleinen, unsicheren Schritten auf die junge Frau zu. Einen Augenblick lang sah sie ihr unschlüssig ins Gesicht. Sie überlegte, ob sie ihr die Hand geben sollte. Aber sie war zu schüchtern für diese Handgreiflichkeit, wagte es nicht einmal, die Hand leicht auszustrecken. Doch sie brachte wenigstens den Mut auf, sie direkt anzusprechen und ihrem Blick standzuhalten. „Guten Abend, Nina! Herzliches Beileid zum Tod ihrer Mutter!“

Die junge Frau reagierte nicht. Doch das war Reaktion und Antwort genug.

© Paula Grimm, 18. Feb 2023