Elsa und Mimmi aus sieben Sachen

Guten Tag,

kommt das Beste immer zum Schluss? Darüber das kann ich selbst an dieser Stelle natürlich nicht entscheiden.

Veröffentlicht wird diese Geschichte zu einer Zeit, in die sie vielleicht nicht passt. Aber in gewisser weise passt sie immer. Denn es geht auch um Freundschaft, ein Thema, das jeder Zeit wichtig ist.

Viel freude mit dieser Geschichte aus der Rubrik Tierisches.

Liebe Grüße

Paula Grimm

Elsa und Mimmi

Elsa lebte mit sieben anderen Mutterschafen, einem frechen Jährling und einem Bock zusammen. Die Herde gehörte einem alten Schäfer, Richard Weigand, der bis vor zwei Jahren mit einer weitaus größeren Herde, die mehr als zweihundert Mutterschafe gezählt hatte, umhergezogen war. Inzwischen war er Rentner und lebte auf dem Bauernhof, den er von seinen Eltern geerbt hatte und ließ die Schafe ausschließlich das Land abweiden, das zum Anwesen gehörte. Anderes Vieh hielt Weigand nicht. Und der Bock erklärte immer wieder, wie gut das war. „Kühe, Ziegen Schweine und Federvieh untergraben den Zusammenhalt, die Moral und die Sitten einer Herde!“

Seine kleine Herde hielt Weigand, weil der Schäfer nun mal das Scheren nicht lässt. Und was das Scheren betraf, war Elsa froh, denn ihr Hirte konnte diesbezüglich mit ihr sehr zufrieden sein. Schließlich hatte sie im vergangenen Sommer vier Kg Wolle gegeben. Nach dem Auswiegen ihrer Wolle hatte der Schäfer stolz gesagt: „Das ist sehr gut! Es gibt immer mehr Leute, die nach schwarzer Wolle verlangen!“ Aber wirklich getröstet wäre Elsa nur gewesen, wenn sie tatsächlich jemanden kennengelernt hätte, der ihre schwarze Wolle wirklich mochte, denn es war überhaupt nicht leicht, das schwarze Schaf zu sein, auch nicht oder gerade in so einer kleinen Herde.

Außer Tilla mochte kein anderes Schaf neben ihr grasen oder schlafen. Und Bella, die sich immer sehr wichtig vorkam, nicht zuletzt, weil sie einen großen Stein im Brett des Bockes hatte, behauptete immer wieder: „Die Tilla bleibt nur in deiner Nähe, weil sie zu dumm ist, dich nicht zu mögen.“
Auch der Bock übersah Elsa meist geflissentlich. Und wenn er doch einmal in ihre Nähe kam, stampfte er zornig mit dem Vorderhuf auf und senkte drohend den Kopf.

Eines Morgens im November beobachteten die Schafe, dass Bella, die nicht nur besonders schön, sondern auch besonders neugierig und schwatzhaft war, am Rand des Pferchs stand und aufmerksam einem Gespräch folgte, das der Schäfer mit einem fremden Mann führte. Die anderen Schafe wollten schon hingehen, um endlich auch zu erfahren, worum es ging, als Bella sich umdrehte und mit wichtiger Miene auf die Mitte der Weide zusteuerte.
„Hört mal alle her!“, rief sie. Und alle Schafe bildeten einen Kreis um Bella.
„ich muss euch was erzählen!“, fuhr Bella so aufgeregt fort, dass ihre Stimme zitterte und höher klang als gewöhnlich, sodass ihre Schwester Emma, die immer eifersüchtig auf Bella war, spitz bemerkte: „Verdammt nah an der Ziege heute, was?“
Bella ließ sich nicht beirren und sprach weiter: „In der Stadt wird es einen Weihnachtsmarkt mit einer lebendigen Krippe geben. Und weil wir eine so schöne, kleine Herde sind, sind wir mit dabei. Und an jedem Sonntag in der Vorweihnachtszeit wird es ein Adventssingen geben mit der Krippe malerisch im Hintergrund. Und zu diesem Singen kommt immer das Fernsehen!“
„Fernsehen?“, fragte Tilla.
„Das ist mal wieder typisch, dass du das nicht kennst!“, meinte der Jährling herablassend.
„Der Schäfer erzählt doch immer davon. Im Fernsehen kann man alles über die Welt erfahren. Und im Fernsehen gibt es nur berühmte Persönlichkeiten.“
„Und weil das nur, was für Prominente ist, und weil uns die ganze Welt sehen wird,“, fiel Bella dem Jährling ins Wort und sprach dann weiter: „Darum müssen wir einen ganz besonders guten Eindruck machen.“ Und nach einer kurzen Pause fügte sie ganz leise hinzu: „Für mich ist das ja überhaupt kein Problem.“

Dann sahen die Schafe einander an, und der Jährling knuffte Elsa in die Seite: „Dich können wir aber nicht mitnehmen, wenn wir einen guten Eindruck machen sollen. Du passt nicht zu uns. Und abends, wenn es dunkel ist, sieht dich sowieso kein Schwein, du Mistvieh!“
„Mist machst du auch nicht gerade wenig!“, versuchte sich Elsa zu verteidigen.
„Du kannst mich mal! Ich werde diese Herde berühmt machen mit meiner Show! Schließlich beobachte ich die größeren Enkel des Schäfers immer, wenn sie für das Casting üben.“ Und der Jährling begann auf den Hufen zu tänzeln und Laute auszustoßen, die manchmal kurz und abgehackt und dann langgezogen oder sogar auf- und abschwellend klangen. Währenddessen stritten die anderen Schafe darüber, welches von ihnen das schönste und hellste Fell hatte.

Der Bock machte diesem Geschrei ein Ende, indem er mit dem Kopf kräftig gegen den Unterstand stieß, den der Schäfer erst vor einigen Tagen aufgestellt hatte. Und der Bock brüllte: „Ruhe in der Herde! Ihr versteht wieder einmal den Ernst der Lage und die Wichtigkeit des Ereignisses nicht. Es geht hierbei um nichts Geringeres als um die Schafsehre, die Bedeutung des Schafswesens für die Weihnachtsgeschichte an sich. Und darum werdet ihr nur genau das tun, was ich euch sage. Und das gilt ganz besonders für dich!“
Der Bock sah in Elsas Richtung und stampfte drohend mit dem Vorderhuf auf. „Individuen wie du, eh, schwarze Schafe, sind sogar in der Menschheit berüchtigt und verschrien. Weigand wird zwar darauf bestehen dich mitzunehmen, weil du nun mal zur Herde gehörst, aber du wirst dich gefälligst vollkommen im Hintergrund halten. Du bist zwar keine Schande für die Menschheit aber dafür umso mehr für das Schafswesen!“

Etwa zwei Wochen später verlud der Schäfer die zehn Tiere auf den Hänger an seinem Traktor. Es war ein kalter Nachmittag mit Schneeregen. Elsa fühlte sich nicht wohl. Sollte die Zeit bei der lebendigen Krippe so werden, wie die Fahrt dorthin war, sah sie sehr dunklen Tagen entgegen. Auf dem Hänger stand sie zwischen Emma und Bella, die sie immer wieder in die Seite knufften. Vor Elsa stand der Jährling, der sich zu ihr umgedreht hatte, und einige Male nach ihr biss.

Schließlich hielt Weigand an und ließ die Schafe aus dem Anhänger. Auf dem Platz, auf dem der Weihnachtsmarkt stattfinden sollte, herrschte bereits geschäftiges Treiben, denn viele Menschen waren dabei Stände und Fahrgeschäfte aufzubauen. Als die Schafe auf den Stall, der sich direkt neben dem Weihnachtsmarkt befand, zugingen, hörten sie zwei laute Stimmen.

„ich bin für die Weihnachtsgeschichte unendlich wichtig und deshalb gebührt mir der Ehrenplatz ganz vorn in der Krippe!“, rief ein Esel.
„Ich wirke viel beruhigender auf die Menschen als du, durch meine imposante Größe und meine Gelassenheit!“, muhte ein Ochse.

Als die beiden aber die Schafe sahen, riefen sie wie aus einem Maul: „Ihr dummes Gesindel haltet euch gefälligst in der lebendigen Krippe ganz im Hintergrund!“, und der Esel fügte hinzu: „Ihr kommt in der Weihnachtsgeschichte ja nur deshalb vor, weil die Hirten bei euch gewacht haben. Ihr seid also höchstens indirekt beteiligt.“

Und während Weigand mit zwei anderen Männern, die wahrscheinlich die Besitzer von Ochs und Esel waren, den Stall für die Nacht vorbereitete, hielt der Bock eine Rede zur Verteidigung des Schafswesens vor allem für die Weihnachtsgeschichte.
„Wir Schafe repräsentieren das einfache Leben und die Friedlichkeit des Gottesreiches! Und das gilt in besonderem Maße auch innerhalb der Weihnachtsgeschichte. Das schöne Wollweiss unserer Felle wirkt auf die Menschen anheimelnd, friedlich und freundlich, was man auch daran erkennen kann, dass sie uns zur Beruhigung zählen, wenn sie abends im Dunkeln liegen und nicht schlafen können. Unser Fell leuchtet dann für sie besonders friedlich und freundlich. Wer käme denn auf die Idee Ochsen oder Esel vor dem Einschlafen zu zählen?“

Der Hinweis des Bockes auf dieses Einschlafritual der Menschen veranlasste Elsa sich in den hintersten Winkel des Stalles zurückzuziehen. Denn sie erinnerte sich noch zu gut an den Streit, den sie einmal mit Bella über diese Sitte gehabt hatte.
„Dass schwarze Schafe wirklich nichts taugen, kann man ja ganz einfach daran erkennen, dass man so was wie dich vor dem Einschlafen nicht zählen kann, weil man dich im Dunkeln ja überhaupt nicht sieht! Außerdem bekommen die Menschen, wenn sie so was wie dich sehen, nur noch mehr Albträume als sie ohnehin schon haben.“
„Ich kann doch ganz beruhigend und freundlich blöken!“
„Und was glaubst du wohl, wer dein furchtbar gewöhnliches Blöken vor dem Einschlafen hören will, he?“
Und um die Diskussion zu beenden, hatte Bella Elsa wieder einmal kräftig in die Seite geknufft.

Als Elsa den geordneten Rückzug angetreten hatte, und es sich im hintersten Winkel so gemütlich als möglich gemacht hatte, gingen die Streitigkeiten mit unverminderter Schärfe weiter. „Schönes Fell?“, höhnten Ochse und Esel wie aus einem Maul.
„Mein Fell ist viel schöner als eure Felle durch seine einzigartige schwarzweiße Zeichnung.“
„Es stimmt! Das Weisß eurer Felle ist langweilig und eintönig. Außerdem muss ich betonen, dass grau nicht gleich grau ist. Und wusstet ihr schon, dass sich Esel wieder großer Beliebtheit bei den Menschen erfreuen, und dass ich aus einer großen Zahl meiner Artgenossen für die Präsenz bei dieser lebendigen Krippe auserwählt worden bin? Ich bin also das Aushängeschild des Eseltums.“

Da die Menschen ihre Arbeit getan hatten und fortgegangen waren, und weil der Esel nach seiner Rede erst einmal verschnaufen musste, da er sich doch sehr aufgeregt hatte, trat Stille ein, in der plötzlich eine leise, aber sehr klare Stimme zu vernehmen war. Die Stimme kam von oben und fragte: „Was genau meinst du mit einer großen Zahl?“

Alle sahen nach oben. Es war Bella, die als Erste die Sprache wieder fand. „Ruhe da oben auf den billigen Plätzen. Wer bist du mickriges Mistvieh überhaupt?“
„Zugegeben, Mimmi heißt man als Katze nur, wenn man mal einen Menschen hatte, dem kein besserer Name eingefallen ist. Und ich hatte früher so einen Menschen, der bis auf seine Einfallslosigkeit wirklich in Ordnung war. Aber, was tun mein Name und vor allem meine Größe jetzt zur Sache?“

Mimmi war wirklich mickrig, schwarz und mager. Außerdem fehlte ihr das rechte Auge. Doch sie saß sehr gelassen auf einem Dachbalken. Und es war ihr anzusehen, dass sie beschlossen hatte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und sich souverän zu behaupten.

„Dir ist wohl überhaupt nicht klar, wo du hier bist! Dies ist eine lebendige Krippe, die den Menschen die Weihnachtsgeschichte erlebbar machen soll. Hier haben also Herumtreiber wie du absolut nichts verloren. Wer hat jemals davon gehört, dass Katzen in der Weihnachtsgeschichte vorkommen? Da kommen noch eher Hunde vor, die die Schafe gehütet haben. Und hüte dich gefälligst davor, dich bei den Filmaufnahmen zu zeigen, wenn du schon nicht gehen willst!“, blökte der Bock böse.

„Dass das hier eine lebendige Krippe ist, pfeifen die Spatzen schon seit Wochen von den Dächern. Und auch das mit den Adventssingen ist schon lange in aller Munde. Das alles interessiert mich nicht. Ich bin nur wegen der Mäuse hier, die sich schon längst hier eingenistet haben und euer Futter fressen und alles verdrecken werden. Zwei habe ich eben schon erledigt. Dieses Pack wird auch immer dreister und arroganter. Die wissen längst, dass ich hier bin, und versuchen mir auf der Nase herumzutanzen. Sie halten mich für einen Gegner, den man nicht ernst nehmen muss, weil es viel größere Katzen gibt. Ich werde es mir hier irgendwo im Hintergrund gemütlich machen, wenn ich nicht gerade Mäuse jagen muss. Also braucht ihr keine Angst zu haben, dass ich euch die Show stehle. Ich bin wirklich nur deshalb hier, um meine Pflicht zu tun, wie es mindestens einer meiner Vorfahren in der echten Weihnachtsgeschichte auch getan hat.“
„Was bildest du dir eigentlich ein? Katzen kommen nicht in der Weihnachtsgeschichte vor und damit basta! Das wird ja immer schöner. Heutzutage darf sich wohl wirklich jeder in der Weihnachtsgeschichte wichtigmachen. Das können wir doch nicht zu lassen!“ Der Bock war außer sich vor Zorn und stampfte mehrfach drohend mit dem Vorderhuf auf.

Mimmi sagte: Ihr glaubt wohl alles, was euch die Menschen als Flöhe in den Pelz setzen. Was die Zweibeiner betrifft, seid ihr wirklich ausgesprochen naiv. Wir Katzen nähern uns den Menschen grundsätzlich mit gesundem Vorbehalt. Und daher wissen wir, dass die meisten von ihnen keinen Sinn für Wesentliches haben. Und aus diesem Grund halten sie oft bedeutsame Dinge für allzu selbstverständlich. Wer hat denn wohl dafür gesorgt, dass die Vorräte für eure Vorfahren und für die heilige Familie den Ratten und Mäusen nicht zum Opfer gefallen sind?“

Bella warf sich stolz in die Brust und verkündete: „Das ist doch klar! Das war der heilige Geist! Der heilige Geist fuhr vom Himmel herab, kurz bevor die heilige Familie im Stall eintraf und säuberte den Stall von Ratten und Mäusen und gab diesem Ungeziefer die Erkenntnis ein, dass sie nicht nur weggehen sollten, sondern sich für die bestimmte Zeit vom Stall fernzuhalten hatten, eben, bis die heilige Familie weggezogen war.“

Allmählich schien Mimmi doch die Geduld zu verlieren, was an dem zunehmend durchdringlicheren Glanz ihres smaragdgrünen Auges zu erkennen war. Und Elsa nahm an, dass ihr Schwanzende vor Aufregung zuckte, wie sie es häufig bei der dreifarbigen Katze beobachtet hatte, die bis zum Herbst mit ihnen auf dem Hof gelebt hatte.
„Vom Himmel herabfahren, um Ratten und Mäusen Erkenntnisse einzugeben, warum sollte dieser überflüssige Aufwand nötig sein? Schließlich hatte der Chef da oben uns längst erschaffen, damit wir diese Plagegeister kurzhalten!“
„So eine heruntergekommene Größenwahnsinnige!“, brüllte der Bock.

Nachdem er so geschimpft hatte, war mehrmals ein leises Geräusch zu hören. Mimmi fauchte und ließ ihren Schwanz durch die Luft peitschen. Jetzt war sie richtig zornig. Und um sich selbst zu beruhigen, murmelte sie vor sich hin: „Und meine Vorfahren haben doch ihren Platz in der Weihnachtsgeschichte gehabt, ob die Menschen sie erwähnen oder nicht! Sie haben ihre Pflicht getan. Und sie haben den Stall durch ihr Schnurren zu einem gemütlichen Ort gemacht. Von Gemütlichkeit und Annehmlichkeiten verstehen wir nämlich was.“
Wenn das wirklich wahr ist, dürfte es für dich ein Leichtes sein uns zu beraten, wer von uns die angenehmste Ausstrahlung hat und deshalb die Nummer eins in der Weihnachtsgeschichte ist!“, sagte der Ochse.

Alle waren mit diesem Vorschlag einverstanden. An der Art ihrer Zustimmung hörte Elsa, wie sehr jeder von ihnen davon überzeugt war, als Hauptdarsteller ausgewählt zu werden. Die Katze merkte das wohl auch. Und daher wollte Mimi zunächst nicht auf diese Idee eingehen. Darüber hinaus hatte sie längst genug von diesen Streitereien. Doch schließlich ließ sie sich doch dazu überreden, auch weil sie hoffte, so bei irgendjemandem einen warmen und gemütlichen Platz für die Adventszeit zu finden. Und so sprang sie zunächst dem Ochsen, dann dem Esel und danach auch den neun Schafen auf den Rücken. Und sie versuchte es sich bei jedem so gemütlich wie möglich zu machen, legte sich hin, streckte sich gemütlich aus, rollte sich zusammen, drehte sich auf die andere Seite, streckte sich aus und rollte sich zusammen. Und sie kam immer zum gleichen Ergebnis: „Nicht übel aber nicht wirklich toll und freundlich!“
Schließlich sprang Mimmi auf die Raufe und verfiel in nachdenkliches Schweigen.
„Alles nur Angeberei!“, maulte Bella, und der Jährling fügte hinzu: Natürlich! Sonst hätte sie sofort gemerkt, wer hier die beste Ausstrahlung hat, und wer der Star ist, ich natürlich!“
Es entstand eine Pause. Aber schließlich sagte Mimmi: „Irgendwie seid ihr alle ganz schön, auch wenn keiner von euch eine besonders freundliche Ausstrahlung hat. Ihr könntet euch ja auch damit abwechseln in der Weihnachtsgeschichte, eh, in dieser lebendigen Krippe wichtig zu sein und im Vordergrund zu stehen.“
Und Mimmi war die Enttäuschung darüber, dass sie keinen Freund für die nächste Zeit gefunden hatte, deutlich anzuhören.

Schließlich fiel die Katze in ein langes und tiefes Schweigen. Schließlich jedoch leckte sich Mimmi, nur um sich wieder zu sammeln die rechte Vorderpfote und ließ dann den Blick ihres verbliebenen Auges wie zufällig durch den hinteren Teil des Stalles schweifen. Plötzlich sprang sie mit zwei gekonnten Sätzen auf Elsas Rücken. Sie legte sich hin, streckte sich gemütlich aus, rollte sich zusammen, rollte sich dann auf die andere Seite, streckte sich aus und rollte sich wieder zusammen. Und endlich sagte sie so laut, dass es alle hören konnten: „Entschuldige vielmals! Beinahe hätte ich dich vollkommen übersehen und dass auch nur, weil es die dumme Zankerei gegeben hat!“ Dann rollte sie sich richtig gemütlich zusammen und brummte zufrieden: „Bei dir bleibe ich!“ Und dann begann sie laut zu schnurren.

„Das ist ja wieder mal so was von typisch! Schwarzes, unheilbringendes Pack, verträgt sich!“, schnauzte der Bock und fügte mit drohendem Unterton in der Stimme hinzu: „Aber, wenn ihr euch wirklich vollkommen im Hintergrund haltet, passiert euch nichts!“ Damit ließ er es endlich bewenden und wandte sich mit den anderen Tieren der Streitfrage zu, wer sich in der nächsten Zeit wann und wie wichtigmachen durfte.

Da Elsa und Mimmi sorgfältig darauf achteten, vollkommen im Hintergrund zu bleiben, und da die anderen Tiere allzu sehr damit beschäftigt waren, sich wichtig zu machen und sich dabei misstrauisch zu belauern, blieben die schwarze Katze und das schwarze Schaf in der Zeit bei der lebendigen Krippe von bösartigen Nachstellungen unbehelligt. Und auch, was alles andere betraf, war es eine wundervolle Zeit. Die Umgebung war angenehm, und das Futter war gut und reichlich. Viele zauberhafte Düfte wehten vom Weihnachtsmarkt herüber. Und Elsa war sicher, dass sie den anheimelnden Duft von Tannenzweigen, Tees, Kerzen, Gewürzen, Kuchen und Mandeln nie würde vergessen können. Abends wurde es dann immer besonders zauberhaft und feierlich, denn zu den wunderbaren Gerüchen war der Glanz von vielen kleinen und großen Lichtern zu sehen.

Doch die Katze lässt nicht nur das Mausen nicht. Und so beschäftigte sich Mimmi häufiger und nach Herzenslust auf ihre ganz eigene Art. so beobachtete ein kleines Mädchen am vierten Advent, wie Mimmi auf dem Stalldach waghalsige Kletterübungen machte.
„Oma, guck mal!“, rief es fröhlich. Mutter und Großmutter folgten dem Blick des Kindes. In diesem Augenblick sprang die schwarze Katze mit einem gekonnten und eleganten Satz auf Elsas Rücken und machte es sich dort so richtig bequem. Die drei Menschen kamen zu Elsa und Mimmi herüber. Die alte Frau fasste in Elsas Wolle und streichelte sie.
„Na, das gibt im nächsten Jahr mindestens einen schönen, warmen Pullover. Und schwarz ist ja auch immer so schick!“

Das Mädchen fragte seine Mutter, ob es Mimmi mitnehmen dürfe. Aber die wollte nichts davon hören.

Als die drei Menschen schließlich gegangen waren, bedankte sich Elsa bei Mimmi, weil sie durch sie endlich einen Menschen getroffen hatte, der ihre schwarze Wolle wirklich mochte. Aber sie war auch sehr traurig, dass die kleine, schwarze Katze immer noch kein richtiges Zuhause gefunden hatte. Doch dann hatte sie eine Idee.
„Du könntest doch mit uns nach Hause fahren, wenn die Zeit der lebendigen Krippe vorbei ist und der warme Stall wieder abgerissen wird. Bei uns gibt es einen schönen, warmen Stall, in dem es immer wieder Ratten und Mäuse gibt. Und die Enkelkinder des Schäfers waren zu der dreifarbigen Katze, die bis zum Herbst auf dem Hof gelebt hat, sehr freundlich. Sie haben viel mit ihr gespielt und ihr manche Leckerei zugesteckt.“
„Aber ich bin doch keine dreifarbige Glückskatze, sondern nur ein mickriger, schwarzer Streuner. Und die anderen Tiere werden mich nicht akzeptieren.“
„Aber wir sind immerhin zu zweit!“
Aber natürlich konnte Elsa Mimmi sehr gut verstehen. Und so redeten sie nicht weiter darüber.

Und dann kam der Tag, an dem der Weihnachtsmarkt zu Ende war. Weigand führte seine Schafe über den Platz, auf dem viele Menschen damit beschäftigt waren Stände und Fahrgeschäfte abzubauen. Er lud die Herde in seinen Hänger. Und Elsa dachte traurig daran, wie sehr sie Mimmi vermissen würde, als sie plötzlich spürte, wie die kleine, schwarze Katze auf ihren Rücken sprang und sich an ihrer Wolle festhielt.
Bella blökte sehr ungehalten: „Dieses kleine, schwarze Mistvieh von Katze muss aber ‚raus!“ Doch da schlug Weigand einfach die Klappe des Anhängers zu. Und als der Schäfer auf seinem Traktor gestiegen war, und sie durch die winterliche Landschaft nach Hause fuhren, war wirklich Weihnachten.
© Paula Grimm,01. Dezember 2017

Negritas Brief aus sieben Sachen

Guten Tag,

weiter geht’s im Text und mit der Paula mit einem Brief, der auch zu den sieben Sachen gehört. Es ist ein Prosatext aus meiner Lieblingskategorie Tierisches.

Heute ist kein Donnerstag der Zwölfte. Aber ich möchte heute die sieben Sachen fertig machen.

Dieser Brief ist das Ergebnis der Teilnahme an einer Blogparade zum ThemaMenschen und Aberglaube.

Ich wünsche Euch viel Vergnügen damit!

Liebe Grüße

Paula Grimm
NEGRITAS BRIEF
Negritas Brief zum Thema der Blogparade des Museumsblogs: Leben ohne Zufall? Blogparade zum Thema „Aberglauben zum Thema „Aberglauben“, http://www.museumsblog.at/2014/02/28/welt-ohne-zufall-blogparade-zum-thema-aberglauben/

Guten Tag liebe schwarze Katzen, andere Glücksbringer und Menschen mit und ohne Aberglauben,

bei diesem Thema kann ich mein schwarzes Maul und alle vier schwarzen Pfoten einfach nicht halten. Und ich muss gleich erwähnen, dass ich wohl nicht im Stande bin, das Thema ganz kurz und bündig abzuhandeln.

Freundlicherweise hat mir Paula ihren Arbeitsplatz und Webspace in ihrem Blog überlassen, und zwar so viel ich brauche.

Damit Ihr wisst, mit wem Ihr es zu tun habt, stelle ich mich kurz vor. Ich bin eine schwarze Katze mit Migrationshintergrund, wie Mensch in Deutsch gerade so sagt. Mein Name passt zu mir und beschreibt mich genau. Ich heiße Negrita, die kleine Schwarze. Ich trage einen spanischen Namen, da ich die ersten zehn Monate meines Katzendaseins auf den Straßen von Barcelona gelebt, besser gesagt, mein Leben gefristet habe. Inzwischen habe ich viereinhalb Jahre auf dem Buckel und kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich

mich im Leben auskenne, da ich mit allen vier Pfoten
fest im Leben stehe, sicher klettere und umsichtig schleiche.

Ich kenne mich aus, so gut man sich eben auskennen kann. Und ich kenne mich auch mit Euch Menschen aus, mit Eurer Jagd nach Glück, Eurem Glauben und Aberglauben, Eurer Einstellung zu den Wechselfällen bzw. Zufällen des Lebens und mit Euren Ideen zum Thema Glück und Vermeidung von Unheil.

So wie ich Euch Menschen bezogen auf die erwähnten Lebensbereiche kennengelernt habe, bin ich stark versucht, Euch in allen Punkten als absolut hoffnungslose Fälle zu bezeichnen. Aber man soll die Hoffnung niemals aufgeben. Das ist ein nützliches Prinzip, um Glück zu erleben und Unheil zu vermeiden. Voraussetzung ist jedoch, dass man nach Möglichkeit Hoffnung nicht mit Illusion verwechselt. Denn die Pflege von Illusionen führt unweigerlich zum Perfektionswahn, für den Ihr Menschen ohnehin übermäßig empfänglich seid. Wann lernt Ihr endlich, Hoffnungen von Illusionen zu unterscheiden? Und wann begreift Ihr endlich mit Kopf, Herz und Hand, dass Glück Erleben aber auch die Vermeidung von Pech keinen Perfektionswahn vertragen?

Dabei macht es keinen Unterschied, ob Ihr einem oder gleich mehreren selbsternannten spirituellen Führern und ihrer Flut von Anweisungen folgt, ob Ihr Euer Heil in der Flucht vor der Realität sucht, oder ob Ihr Euch irgendeinen Aberglauben selbst zusammenzimmert. Durch dieses Verhalten werdet Ihr immer weniger Glück
verdienen und erleben, als möglich ist. Und Ihr werdet immer mehr Leid erfahren, als notwendig ist.

Ihr sagt: „Das Glück liegt auf der Straße!“ Selbst, wenn das stimmt, werdet Ihr es nie finden und erfahren. Ihr werdet es höchstens überholen, übersehen und überfahren. Und ich weiß leider allzu genau, wovon ich hier schreibe, denn erst vorgestern habe ich bei meinen Streifzügen durch mein Revier zweiter Ordnung eine überfahrene Artgenossin gefunden. Und das war leider sogar eine von den Katzen, die manche von Euch als Glückskatzen bezeichnen, eine dreifarbige europäische Kurzhaarkatze.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich immer mehr Vertreter Eurer Spezies an die alte Weisheit erinnern: „Das Glück der Erde ist auf dem Rücken der Pferde!“ Nichts und niemand ist davor gefeit, als Objekt für Eure Jagd nach dem Glück oder zur Vermeidung oder Linderung von Unheil ge- oder missbraucht zu werden. Ihr Glückskäfer mit den Jahrespunkten auf dem Rücken, Ihr Pferde, die Ihr ab und zu Eure Hufeisen verliert, und Ihr dreifarbigen Glückskatzen tut alles, was Ihr tun könnt, und was wir vermeintlichen Unglücksbringer auch tun würden, um Menschen glücklich zu machen und ihnen Glück zu bringen! Und nehmt auch Ihr es nicht zu schwer, dass es Euch oft nicht so gelingt, wie es sein soll. Ihr könnt nichts dafür!

Und was Euch Menschen betrifft, steht Ihr oft Euch und Eurem Glück mit Eurem Übereifer selbst so gut im Weg, wie Ihr könnt und erlebt dadurch mehr Unheil als für Euch vorgesehen ist.

Da kann man nichts tun, als so gelassen und geduldig als möglich das eigene Leben für seine Freunde und sich selbst so gut wie man es eben vermag in die Pfote zu nehmen.

Wir schwarzen Katzen zählen im christlichen Abendland eindeutig zu den Unglücksbringern. Aber jede schwarze Katze sollte wissen, dass die Menschen bezogen auf diesen Aberglauben wie der Mond sind. Sie haben ihre Phasen.
Unglücksbringer sind wir immer. Aber angeblich bringen wir an Donnerstagen in der Abenddämmerung, wenn wir Menschen über den Weg laufen, besonders viel Unglück, wenn der Donnerstag der 12. eines Monats ist.
In diesem Zusammenhang habe ich mich am Donnerstag, dem 12. Dezember 2013, zu zwei Dingen entschieden. Ich will nicht herausfinden, wie die abergläubischen Menschen ausgerechnet auf dieses schmale Brett gekommen sind, und warum sie offenbar seit mehreren Jahrhunderten an diesem Gedanken festhalten. Außerdem tue ich seit diesem Donnerstag im Dezember nicht mehr so, als könnte ich in dieser Sache auf sie Rücksicht nehmen. Sie sind sich in diesem Punkt ja noch nicht mal einig. Manche glauben, wir dürfen ihnen nicht von links nach rechts über den Weg laufen. Andere behaupten das Gegenteil. Und wieder andere meinen, dass wir ihnen Unglück bringen, wenn wir ihnen überhaupt über den Weg laufen. Wer soll daraus noch schlau werden und sich entsprechend verhalten? Flüche, abwehrende Gesten, hysterische Stoßgebete und Wasserspritzer, die Katze vertreiben sollen, gibt es sowieso. Es ist ein Kreuz mit den abergläubischen Menschen. Dabei gehen wir auch an Donnerstagen, die ein 12. im Monat sind, mit guten Absichten durch unser Katzenleben, wenn wir nicht gerade auf der Jagd nach Ungeziefer sind.

Da es ohnehin sinnlos ist, dem menschlichen Aberglauben und seinen Folgen zu entkommen, werde ich an jedem Abend und Morgen, die der Herr werden lässt, gewissenhaft mein Revier zweiter Ordnung durchstreifen und alles nutzen, was mir auf meinen Wegen so zufällt.

Uns Lebewesen fällt ohnehin alles zu, was uns begegnet. Denn wir können kaum etwas selbst bestimmen. Wir können nur nutzen, was uns an Gutem zufällt. Und wir können uns nur dem stellen, was uns an Unheil widerfährt. Es könnte sein, das Ihr Menschen nur deshalb so extrem nach Glück jagt und so krampfhaft versucht, Unheil von Euch fernzuhalten, da Ihr das mit den Zufällen missversteht. Ich bleibe dabei, dass uns alles zufällt. Nicht nur ein außergewöhnlich großes Glück wie ein neues gemütliches Revier erster Ordnung nach zehn Monaten auf der Straße fällt uns zu. Auch alle schrecklichen Ereignisse sind Zufälle. Diese Extreme sind nur die Zufälle, die seltener auf einen zufallen. Aber jedes Blatt, mit dem ich jagen üben kann, fällt mir vom Baum mit Hilfe des Windes zu. Das ist doch ganz einfach, oder nicht?

Und was die Rituale betrifft, so habe ich schon die Erfahrung gemacht, dass sie tatsächlich etwas mit dem Bringen des Glücks zu tun haben. Deshalb verlasse ich mein Revier erster Ordnung niemals, ohne mich vorher sorgfältig gewaschen und mich ausgiebig am Topf der
großen Palme gerieben zu haben.

Das ist ein starker Ausdruck meiner Dankbarkeit, die ich empfinde, da ich jetzt schon über drei Jahre bei freundlichen und anständigen Menschen in einem so angemessenen Revier erster Ordnung leben darf. Und aufrichtige Dankbarkeit erhält das Glück und lockt es an. Unterschiedliche Rituale brauchen Zeit. Die Zeit, die diese Rituale brauchen, brauchen die Lebewesen auch, um innezuhalten, damit sie überhaupt fühlen können, was ihnen da zufällt. Ist es etwas Zu- oder Abträgliches? Das Innehalten taugt auch dafür, dass man sich sammeln, sich dem Elend stellen oder einen glücklichen Zufall nach Herzenslust genießen kann.

Übrigens, liebe Menschen, da fällt mir noch etwas ein. Mich freut es von ganzem Hrzen, wenn ich Euch oder einem anderen Wesen am Donnerstagabend vor Freitag dem 13. von links nach rechts über den weg laufe. Denn alles, was zufällig von links kommt, kommt von Herzen.

Es gäbe da noch so viel zu sagen. Aber ich lasse es damit erst einmal bewenden und wünsche Euch allen viel Glück, eine gute Entwicklung Eurer Intuition, bei der Gefühl und Verstand sinnvoll zusammenarbeiten, und die angemessenen Rituale! Und Ihr lieben Zweibeiner tut Euch und uns anderen Lebewesen den Gefallen, daran zu denken, dass auch bezogen auf das Glück weniger mehr ist.

Liebe Grüße

Negrita