Hundstag aus sieben Sachen

Guten Tag,

auch dieser Beitrag ist ursprünglich für die Schreibgruppe der evangelischen Blindenseelsorge im Rheinland geschrieben worden.

In den sieben Sachen gehört der Text in die Kategorie Tierisches.

Ich wünsche Euch gute Unterhaltung.

HUNDSTAG

Geschrieben im Sommer 2012 für die Schreibgruppe der evangelischen Blinden- und Sehbehindertenseelsorge im Rheinland zum Thema Ein- und Umzug.

Man fühlt sich einfach hundeelend an diesen Hundstagen. Seit vorgestern liegt ein Gewitter in der Luft. Es kommt aber nicht. Und bei dieser Affenhitze kommt man als Hund deshalb wirklich auf den Hund, will heißen, dass Hund auf sich allein gestellt ist und auf verlorenem Posten steht, weil die Menschen, um die der Hund sich zu kümmern hat, die Bullenhitze auch nicht besser vertragen als wir Hunde.
Sie sind gereizt und unkonzentriert und spätestens am Mittag scheint ihr viel gelobter Menschenverstand durch die Sonne verdampft zu sein, in der sie sich freiwillig rösten lassen.
Der heutige Tag war so richtig für die Katz. Das fing schon vor dem Aufstehen mit diesem Alptraum an. Mir träumte, ein dicker, lauter und stinkender Mann wäre mit einem Hund und zwei Katzen bei uns eingezogen. Als ich aufwachte, schimpfte ich mit mir selbst: „Emma, du bist doch kein hysterischer Kleinkläffer, sondern ein gestandener Rottweiler. Und dass Lena und Carmen noch mindestens einen Mitbewohner suchen, ist doch eigentlich eine gute Sache.“

Doch dieser ekelhafte Gestank des Mannes und der beiden Katzen gingen mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. Woher kannte ich nur diesen scheußlichen Geruch? Trotzdem nickte ich noch einmal ein. Kurze Zeit später hörte ich Lena die Treppe herunterkommen und stand natürlich mit der falschen Pfote zuerst auf. Lena fand, dass ich nicht schnell genug an der Terrassentür war. „Emma, wo bleibst du denn? Jetzt aber ‚raus mit dir, hopp.“
Als ich gerade draußen war, machte Lena hinter mir die Tür zu. Und das ist eine von diesen isolierten Türen. So konnte ich nicht hören, was meine Frauchen drinnen besprachen. Da stand ich nun und merkte, dass mehr in der Luft lag als dieses Gewitter.
„Menschenskinder, ich passe wirklich gern auf euch auf. Aber wie soll ich das anständig tun, wenn ich nicht weiß, was abgeht?“
Also durchstreifte ich gewissenhaft witternd und aufmerksam lauschend erst einmal den Garten. Es war alles beim Alten und noch in Ordnung. Es war schon so warm, dass ich beim Gartenteich angekommen die unbändige Lust verspürte, ein kühles Bad zu nehmen. Doch ich darf nicht in den Gartenteich. Lena meint: „Das ärgert und stört die Fische.“ Mich stören verschlossene Türen, die Hund beim besten Willen nicht öffnen kann. Und diese blöde Terrassentür war so was von zu.
Schließlich machte mir mein Frauchen Carmen die Tür wieder auf. Doch es war klar, dass mir nichts anderes übrig bleiben würde, als den Vormittag im einigermaßen

kühlen Flur herumzulungern. Meine Frauchen arbeiten zwar Zuhause, aber ich kann Carmen nicht bei ihrer Übersetzungsarbeit und Lena nicht bei ihren Telefonberatungen helfen.
Gegen Mittag kam Lena die Treppe herunter, nahm meine Leine vom Haken und klinkte sie in meinem Halsband ein.
Aber wir machten keinen Spaziergang, sondern einen Einkauf. Die Einkaufstour war allerdings sehr aufschlussreich, wie es heute weitergehen sollte. Wir gingen zum Supermarkt, wo Lena Obst, Gemüse und Milchprodukte kaufte.
Danach ging Lena in die Metzgerei. Als sie herauskam, roch es aus ihrer Tasche köstlich nach Koteletts, Würstchen und Bauchfleisch. Das konnte nur bedeuten, dass heute Besuch zum Grillen kommen sollte. Ich mag Grillen eigentlich nicht. Der Feuergestank geht mir auf den Geist. Doch zumindest gibt es normalerweise für mich eine gute Portion ungewürztes Fleisch, oft sogar mit einem Knochen.

Auch in der Bäckerei kaufte Lena ein. Sie nahm von dort nicht nur Brot, sondern auch Kuchen mit. Also würde der Besuch schon zum Kaffeetrinken kommen. Endlich Zuhause angekommen, musste ich eine derbe Enttäuschung hinnehmen. Lena würzte das Fleisch, legte es in eine Marinade ein und verstaute es im Kühlschrank. Doch diesmal ließ sie nicht ein einziges Häppchen ungewürzt und schnitt nicht einmal einen kleinen Knöchen für mich ab. Was mochte das für ein Besuch sein, der Menschen dazu trieb, ohne Not den

gerechten Anteil für den treuen Rottweiler zu vergessen? Und wieder musste ich an den scheußlichen Kerl in meinem Alptraum denken. Ich bin ein wachsames, aber auch gastfreundliches Haustier. Doch als die Kühlschranktür vor dem Fleisch, von dem ich nichts abbekommen sollte, von Lena zugemacht wurde, erreichte meine Lust, diesen Besuch zu empfangen, ihren absoluten Nullpunkt.
Dann hieß es wieder warten. Doch endlich kam Carmen die Treppe herunter. Sie kochte Kaffee und deckte den Tisch. Als sie die Thermoskanne mit dem Kaffee auf den Tisch gestellt hatte, ging sie noch einmal nach oben, um sich frisch zu machen. Jetzt konnte es wirklich nicht mehr lange dauern, bis der Besuch kommen sollte. Ich ging witternd und mit gespitzten Ohren im Flur auf und ab. Schließlich hielt ein Auto vor dem Hoftor und zwei Männer stiegen aus.
Gemeinsam kamen die beiden auf die Haustür zu. Der Eine verabschiedete sich von dem Anderen und ging zum Auto zurück. Der Andere, der wie der Kerl in meinem Alptraum stank, wartete noch, bis der Erste nicht mehr zu hören war, tastete dann nach dem Klingelknopf, wie es auch Carmen tut, weil sie blind ist. Dann wartete er noch ein bisschen. Doch genau in dem Augenblick, als er Sturmklingeln wollte, um uns alle zu erschrecken, schlug ich kräftig an. Wenn Einer mir so kommen will, muss er mehr auf Zack sein. Weil er mich hatte ärgern wollen und mir gewaltig stank, bekam dieser Wichtigtuer selbstverständlich nicht meinen freundlichsten Begrüßungston zu hören. Ich ließ ein
74 Knurren im Ansatz, gefolgt von einem lauten Bellen und einen grollenden Ausklang hören. Der Kerl erschreckte sich zwar und zögerte, aber er fand schnell seine Gelassenheit wieder und setzte zu seinem geplanten Sturmklingeln an.
„Emma, aus!“, brüllte Lena, als sie und Carmen gemeinsam die Treppe herunter kamen. Dieser gemeine, keifende Unterton hätte wirklich nicht sein müssen, obwohl ich gerade ungeheure Lust verspürte, bei meinem Drohen noch einen Zahn zuzulegen, aus tiefster Brust zu knurren und die Lefzen hörbar hochzuziehen. Gehorsam, wie ich nun einmal bin, stellte ich meinen Protest gegen diesen ekelhaften Typen sofort ein und verzog mich unter den Wohnzimmertisch. Dort wartete ich auf die Menschen. Ich konnte nicht abhauen. Schließlich musste ich ja herausfinden, ob sich mein Alptraum bewahrheiten würde. Bei Menschen weiß man nie, was sie so anstellen.

Eine Zeit lang unterhielten sich die Menschen im Flur. Als ich die Stimme des Mannes hörte, fiel mir plötzlich ein, woher ich ihn kannte. Ich erinnerte mich mit Schaudern daran, dass er einmal mit Carmen ausgegangen war, als ich noch ein Welpe gewesen war. Es war damals ein sehr langer Abend in einer Kneipe in der Innenstadt geworden. Er hatte viel auf Carmens Kosten getrunken. Und er hatte geredet und geredet. — Wen er kennt, was er weiß, wie schön er ist, wie klug er ist.‘.. — Er heißt übrigens Horst.
Er ließ sich von Lena ins Wohnzimmer führen und setzte sich auf das Sofa. Leider hatte er mich wohl
gehört, weil ich mich nicht absolut still verhalten kann. Ich bin ja noch nicht tot. Er beugte sich zu mir herunter, tätschelte meine linke Seite und begann, auf mich einzureden.
„Wie schön, dass wir uns wiedersehen. Braver Hund, Emma.“

Carmen und Lena kamen mit dem Kuchen ins Wohnzimmer und setzten sich Horst gegenüber an den Tisch. Das passte ihm nicht. Und ich erinnerte mich daran, dass er damals in der Kneipe allzu gern mit Carmen auf Tuchfühlung gegangen war. Ich spürte heute Nachmittag, wie sehr er sich über die Distanz zu seinen Artgenossinnen ärgerte, genauso wie er sich damals über Carmens vorsichtigen Rückzug auf die andere Seite des Tisches geärgert hatte.
Er tätschelte wieder und wieder meine Seite. Dann begann er wieder auf mich einzureden: „Na, Emma, wie geht es uns bei dieser Hitze denn so, Dicke?“
Lena war so dumm, auf dieses Gerede zu reagieren, indem sie sagte: „Ja, das ist so eine Sache bei dieser Art von Hunden. Ich denke auch oft, dass die Emma zu dick und schwerfällig ist.“
Doch Carmen sagte das, was ich dachte: „Das, was die Emma auf ihren kräftigen Knochen hat, ist reines Muskelfleisch. Wovon sollte sie auch zu dick sein? Sie trainiert fleißig im Hundeverein und ist auch sonst nicht faul.“
Endlich ließ er von mir ab. Das Thema war fürs Erste erledigt. Doch er redete und redete.

Beim Kaffeetrinken langten Horst und Lena kräftig zu. Und sie hing förmlich an seinen Lippen. Was die an diesem „Stinkstiefel“, wie Menschen so sagen, findet? Schließlich kam er zum Grund seines Besuches und erzählte, dass er für sich und seine Haustiere eine neue Bleibe suchte. Nach dem Auszug seiner Freundin kann er sich die Miete für die Wohnung, in der er gerade lebt, nicht mehr leisten. Und natürlich zeigten meine Frauchen ihm nach dem Kaffeetrinken das ganze Haus, vom Keller bis zum Dachboden. Carmen tat es aus Gutmütigkeit und verhielt sich sehr zurückhaltend. Lena tat es aus wachsender Begeisterung für diesen Kerl. Sie wurden sich handelseinig und stießen beim Grillen auf die neue Hausgemeinschaft an. Er wird also mit seinen beiden Katzen und seinem Blindenführhund in zwei Wochen bei uns einziehen.

Kaum war das geklärt, begann er wieder ohne Unterlass zu reden. — Wen er kennt, was er weiß, wie schön er ist, wie klug er ist… Er unterbrach sich selbst nur kurz, um zu trinken. Er redete auch mit halb vollem Mund weiter. Er ist das, was Menschen einen Schaumschläger oder Dünnbrettbohrer nennen. Ich meine:
„Er ist ein Luftbeißer und Wasserschnapper.“

Wenn er doch wenigstens seine Hündin mitgebracht hätte. Dann hätten wir einander schon einmal beschnuppern und ein Gespräch von Hündin zu Hündin über die neue Hausgemeinschaft und die gemeinsame Zukunft führen können. Aber was konnte man von so einem schon erwarten?
Es war bereits dunkel, als sena und ich Horst zur Bushaltestelle begleiteten. Auf dem Rückweg begann Lena mit mir zu schimpfen: „Was ist los mit Dir, alte Miesepeterin? Du hast ja zu überhaupt nichts mehr Lust, faules Stück.“
Und ich dachte so bei mir: „Ich bin nicht faul. Und da gibt es einige Sachen, auf die ich richtig Lust habe, ein kühles Bad im hauseigenen Gartenteich, ungewürztes Fleisch, vielleicht sogar mit einem Knochen und eine unkomplizierte Hausgemeinschaft mit Leuten und Tieren, die nicht stinken.“

Liebe Grüße

Paula Grimm

Cucurbitus Rex (Sieben Sachen)

Guten Tag,

weiter geht’s ab mit der Paula und ihren Geschichten. Und diese Geschichte zeigt, dass es bei der Paula nicht lange ohne Magie abgeht.

Auch die zweite Geschichte, die ich heute in Vielseitigkeit einstelle, passt terminlich und jahreszeitlich nicht zum Veröffentlichungsdatum. Aber es gilt auch für den König der Kürbisse: „Die Geschichte frisst kein Brot.“ Und sie bleibt wie alle Geschichten im Blog, und zwar mindestens so lange, wie Vielseitigkeit bestehen kann.

Ich wünsche viel Spaß mit der Geschichte zum Thema Helloween!
Cucurbitus Rex
„ich nehme diesen Kürbis da!“, sagte Wolfgang Wendler. Er konnte sich selbst überhaupt nicht erklären, warum er mit der Verkäuferin hinter dem Marktstand im Befehlston gesprochen hatte. Und er zeigte nachdrücklich mit einem Finger auf einen großen, glänzenden Kürbis. Es war keineswegs das größte Exemplar, das Wendler unbedingt haben wollte. Es waren wohl die Farbe und der Glanz der Schale, die ihn sofort fasziniert hatten. Aber vielleicht war da auch noch etwas ganz anderes gewesen. Er konnte sich seine Entscheidung später nicht mehr erklären.
„Ist sich ganz besonderer Kürbis!“, sagte die Verkäuferin lächelnd, während sie den Kürbis auswog. Sie legte den Kürbis vor Wendler hin, beugte sich zu ihm vor und flüsterte ihm zu: „Fünf Euro, bitte!“ Die Frau sah so aus und hörte sich auch so an als ob es ihr grundsätzlich peinlich wäre für diese Frucht einen Preis zu verlangen. Wendler gab ihr einen Fünfeuroschein. Und als er seine Geldbörse einsteckte und den Kürbis nahm, wiederholte die Frau mit einem verschwörerischen Unterton in der Stimme: „Ist sich ganz besonderer Kürbis!“ Und während Wolfgang Wendler zu seinem Auto zurückging, fragte er sich ob er in der Stimme der Verkäuferin nicht auch etwas Drohendes gehört hatte. Oder bildete er sich das nur ein?

Wendler hatte den Kürbis gekauft, weil er seinen drei Kindern eine Halloweenparty versprochen hatte. Zu diesem Fest hatte er zwei befreundete Familien eingeladen. An diesem Abend würden sich insgesamt sechzehn Personen um seinen Esstisch versammeln. Und Wendler wollte um jeden Preis verhindern, das dieses Fest zu einer Maskerade im amerikanischen Stil mit den vielen Süßigkeiten und dem gruseligen Brimborium verkam. Der Kürbis war nichts weiter als das einzige Zugeständnis an Halloween. Und wenn Wendler die prächtige Frucht zu einer Suppe nach seinem Spezialrezept verarbeitet haben würde, war sie ohnehin nichts weiter als eine Hommage an die Jahreszeit und eine gute Portion Bildung und Geschmacksbildung nicht nur für seinen Nachwuchs.

Wolfgang Wendler war 35 Jahre alt und arbeitete als Gymnasiallehrer für Biologie, Geschichte und Sport. Der 31. Oktober war in diesem Jahr ein Freitag. Und Wendler hatte nur drei Stunden Unterricht gehabt. Als er an diesem Vormittag nach Hause fuhr, musste er sehr langsam fahren und ärgerte sich sehr darüber. „Da wohnt man nun in einer Gegend, von der es heißt, dass sie so flach ist, dass man morgens schon sieht, wer am Nachmittag zum Kaffee kommt. Und was hatte man davon? Vor allem im Frühjahr und im Herbst hat man selten eine anständige Sicht.“ Auch an diesem Vormittag hielt sich der Nebel, der von Feldern, Wiesen, Wäldern und den großen Teichen aufstieg, zäh und würde sich wahrscheinlich den ganzen Tag lang nicht vollends lichten. Und in Großbritannien gab es viele Regionen dieser Art. Es war kein Wunder, dass an solchen Orten Bräuche wie Halloween entstanden waren und sich wie der Glaube an Zauberer und Hexerei so hartnäckig hielten.

Zuhause angekommen trug Wendler den Kürbis in die Küche und legte ihn auf den Tisch. „Und jetzt wird nichts mehr schief gehen und alles so laufen, wie ich es will!“, dachte er. Seine Frau Irene und ihre beiden achtjährigen Söhne, Ben und Alex kamen aus dem Wohnzimmer. Und nur einen Augenblick später kam auch die kleine Selma die Treppe heruntergeflitzt. Die Zwillinge waren ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, blond mit runden Gesichtern und stämmigem Körperbau. Und Wendler war sehr stolz auf die beiden, da er sich einbildete, dass sie ihm auch charakterlich sehr ähnlich waren. Selma war vier Jahre alt und hatte wie ihre Mutter schwarzes Haar. Wendler sah sie mit missbilligendem Blick an. Denn sie trug ihr Katzenkostüm, das eigentlich nur für Karneval gekauft worden war. Er mochte nicht zugeben, dass sie darin mit ihrem aufgeweckten und pfiffigen Gesicht, in dem zwei dunkelblaue Augen glänzten, einfach bezaubernd aussah. „Das Gelump ziehst du aber gefälligst aus, wenn heute Abend die Gäste kommen! Ist das klar?“ Selma nickte traurig tröstete sich dann aber damit, dass sie bis zum Abend noch reichlich Zeit hatte, eine verspielte Katze zu sein.

Obwohl die Kürbissuppe eine Spezialität von Wolfgang Wendler war, hatten die Kinder noch nie einen Kürbis gesehen und bestaunten das große, glänzende Exemplar erst einmal wortlos. Schließlich meinte Ben bewundernd: „Boah, Papa, das ist aber wirklich ein richtiger Kawenzmann!“
„Und deshalb werde ich die Kürbissuppe auch in dem großen Einweckkessel von Oma machen!“
„ich finde, der sieht richtig schön aus!“, meinte Selma und berührte die Schale der Frucht ganz behutsam.
„und ich sage euch, dass ich aus diesem Kürbis, botanischer Name Cucurbita, eine exzellente Suppe zubereiten werde, die einerseits rustikal und kräftig und andererseits raffiniert und delikat sein wird. – Übrigens, züchten Menschen seit fünftausend Jahren fünf verschiedene Sorten von Kürbissen.“

Um sich für den Vortrag, den er seinen Kindern halten wollte, zu stärken, ging Wolfgang Wendler zum Kühlschrank, auf dem die Thermoskanne mit dem Kaffee war, nahm sich seine Tasse, die daneben stand, goss sich Kaffee ein, nahm sich ein Stück Zucker, rührte kurz und heftig um. Dann wandte er sich wieder dem Küchentisch, dem Kürbis und seiner Familie zu.

Er holte tief Luft kam aber nicht dazu weiter zu sprechen. Denn plötzlich war ein leises aber doch sehr deutliches Summen zu hören, das ihn innehalten ließ. Das Summen kam nicht vom Kühlschrank und auch nicht von der Heizung. Das wurde Wendler ziemlich schnell klar. Konnte das Summen von dem Kürbis kommen?
„Papa, ich weiß ja nicht wie lange fünftausend Jahre sind. Aber Kürbisse werden schon seit acht- bis zehntausend Jahren vor Christus von Menschen gezüchtet. Das ist sogar durch Funde bei Ausgrabungen belegt!“, erklärte Selma plötzlich.
„Wie um drei Teufels Namen kommst du denn darauf?“
„Da bin ich gar nicht selbst drauf gekommen. Das hat der Kürbis gesagt!“ Und als alle anderen sie ungläubig ansahen, fuhr sie fort: „Und der muss es ja schließlich wissen. Er ist ja selbst ein Kürbis.“
„Hör’ jetzt mal gefälligst genau zu, Selma! Der Kürbis weiß überhaupt nichts. Und deshalb weiß er auch nichts über sich selbst. Denn er ist nur eine Pflanze, ein Kürbis eben!“ Und während ihr Vater sprach, hatte er wie so oft und wie alle anderen in der Familie diesen übertrieben geduldigen Ton in der Stimme, den Selma überhaupt nicht leiden konnte, auch, weil sie ihn allzu häufig zu hören bekam.
„Warum glaubst du, dass der Kürbis nichts weiß? In ihm sind bestimmt viele von den Sachen drin, von denen du behauptest, dass man sie zum Leben braucht, weil sie sooo gesund sind. Und diese Sachen braucht man dann ja auch zum Lernen, Denken und Wissen!“

Wolfgang Wendler, Alex und Benn kamen nicht dazu Selma auszulachen oder zu belehren. Sie hielten irritiert inne, denn der Kürbis summte abermals und drehte sich auf die Seite, sodass er hochkant auf dem Küchentisch stand.
„Übrigens, Papa, der Kürbis muss jetzt weg. Er hat nämlich noch was wichtiges vor!“, sagte Selma, ging durch die offene Küchentür auf die Haustür zu und öffnete sie. Als der Kürbis dann vom Küchentisch sprang und auf die Haustür zurollte, sah Selma ihren Vater an und sagte: „Reg’ dich nicht auf! Du kriegst ja ‚nen neuen!“ Und während sie das sagte, strahlte ihr Gesicht reine Zuversicht aus.

An der Haustür hielt der Kürbis kurz inne, summte ganz besonders freundlich und kullerte dann mit zunehmender Geschwindigkeit auf das Hoftor zu. Selma winkte ihm nach und rief: „Gern geschehen, Cucurbitus Rex!“

Mit einem raschen Blick hatten sich Wolfgang, Alex und Ben darauf verständigt dem Kürbis zu folgen. Im Vorbeihasten schnappten sie sich noch ihre Jacken von der Garderobe und stürmten zur Haustür hinaus.
„Den holt ihr sowieso nicht ein!“, dachte Selma, die mit wachsender Freude die Flucht des Kürbisses beobachtet hatte. So war ihr nicht entgangen, wie Cucurbitus Rex mit einem eleganten Satz das kleine Hoftor überwunden hatte. Schließlich machte sie die Haustür wieder zu, und weil sie doch ein Bisschen traurig darüber war, das der Kürbis schon wieder weg war, und sie nicht wusste, wohin er rollte, und was er vor hatte, tröstete sie sich selbst mit dem Gedanken: „Er macht das bestimmt so wie der dicke, fette Pfannekuchen im Märchen von den Gebrüdern Grimm und rollt zu einer armen Familie, damit die Kinder was zu essen haben.“

Es dauerte seine Zeit, bis die Herren der Schöpfung begriffen, wie sinnlos es war, den Kürbis zu verfolgen. Denn für eine Kreatur, die ihrer Anlage nach dazu bestimmt ist, auf dem Feld immer an der selben Stelle zu stehen und nur ordentlich zu wachsen, um sich schließlich abschneiden zu lassen, auf ein Fahrzeug geladen zu werden, um dann endlich verkauft, zerkleinert, zubereitet und verspeist zu werden, legte der Kürbis ein mehr als erstaunliches Tempo vor.

Schon auf der kleinen Straße, an der sie wohnten, zwang Cucurbitus Rex sie zu einem Dauerlauf, wenn sie sich nicht von ihm abhängen lassen wollten. In dieser Geschwindigkeit ging es auch auf der Landstraße weiter, die der Kürbis Richtung Ortskern entlang rollte. Im Ort angekommen, witterten Wolfgang Wendler und seine Söhne die Chance den König der Kürbisse endlich zu fangen. Denn hier musste die Frucht ihr Tempo drosseln. Es waren viele Leute unterwegs und nicht alle fanden die Zeit vor Schreck zur Seite zu springen. Aus diesem Grund musste der Kürbis um viele Personen herum rollen. Doch seine Verfolger stellten bald enttäuscht fest, wie geschickt und schnell er nicht nur um die Menschen herumrollte, die ihm begegneten. Ebenso gekonnt wich er Hunden, geparkten Autos und Aufstellern aus.
Nur einem einzigen Aufsteller konnte Cucurbitus Rex nicht ausweichen, da ihm gerade ein kleiner Hund entgegen rannte. Der Aufsteller fiel krachend zu Boden. Und der Kürbis musste einen ordentlichen Satz machen, um über ihn hinweg zu springen. Im Vergleich zu ihm stellten sich seine Verfolger reichlich ungeschickt an. Sie rempelten einander und andere Fußgänger häufig an und kamen oft aus dem Tritt, da sie über Gegenstände stolperten. So kam es dazu, dass der Kürbis an einer T-Kreuzung abbog, und die Wendlers zu spät erkannten, welchen der beiden Wege der Kürbis eingeschlagen hatte. Sie bogen nach rechts ab. Nach wenigen Metern blieb Wolfgang Wendler stehen, holte ein paar Mal tief Luft, um zu Atem und zu Ruhe und Besinnung zu kommen. Dann sagte er endlich: „Ich befürchte, das War’s! Der ist nach links gerollt. Den holen wir nicht mehr ein. Ihr geht jetzt nach Hause. Und ihr erzählt niemandem, wie der uns geleimt hat! Ist das klar?“ Alex und Ben nickten. Mit eingezogenen Köpfen traten sie einen Umweg nach Hause an und hofften, dass ihnen niemand begegnete, der sie erkannt hatte, als sie hinter Cucurbitus Rex hergelaufen waren.

Wolfgang Wendler sah seinen Söhnen so lange nach, bis sie aus seinem Sichtfeld verschwunden waren. Dann überlegte er, was er jetzt tun sollte. Mit der festen Absicht einen neuen und viel schöneren und größeren Kürbis zu kaufen machte er sich auf den Weg zum Obst- und Gemüseladen. Und dann stand er schließlich vor dem großen Sortiment mit den unterschiedlichsten Kürbissen und ihm sank der Mut. Er hatte heute schon einen fatalen Missgriff getan. Das sollte sich auf keinen Fall ein zweites Mal wiederholen. „Pechsträhnen und Fehlerserien reißen zwar auch mal ab. Aber das tun sie in der Regel nicht so schnell!“, dachte Wolfgang Wendler. „Und ich habe es überhaupt nicht nötig mir ausgerechnet von Kürbissen sagen zu lassen, was ich kochen soll. Und meine Vorratskammer ist immer gut und umsichtig gefüllt. Da brauche ich doch diese unverschämten Früchte nicht!“ Also machte Wolfgang Wendler auf dem Absatz kehrt und machte sich so ruhig und gelassen wie er es vermochte, auf den Heimweg.

Um viertel vor zwei kam Wolfgang Wendler zu Hause an. Er wollte gerade die Haustür aufschließen, als er sah, dass etwas auf der Fußmatte lag. Er wich erschrocken einen Schritt zurück, als er erkannte, was da lag. Es war ein großer, glänzender Kürbis. Doch es war nicht der König der Kürbisse. Denn diese Frucht war nicht ganz so groß und glänzend wie das Exemplar, das Wendler am Vormittag auf dem Markt gekauft hatte.

Als der Kürbis bemerkte, dass er von Wendler angesehen wurde, begann auch er wie Cucurbitus Rex leise zu summen.
„Zu Diensten, der Herr! Seine Majestät, Cucurbitus Rex, schickt mich, damit Sie einen Kürbis für Ihr geplantes Abendessen haben!“
Wendler beugte sich vor und fragte ganz leise: „Heißt das, dass du dich gleich wie ein ganz normaler Kürbis verhalten wirst, obwohl du dich jetzt mit mir unterhältst?“
„Ja wohl, mein Herr!“
„Und wenn wir gleich ins Haus gehen, lässt du dich wirklich ganz normal hereintragen, springst nicht vom Tisch, summst nicht und lässt dich zerteilen und verarbeiten, wie es sich für einen Kürbis gehört?“
„Aber selbstverständlich, mein Herr!“
Wendler war keineswegs von dem überzeugt, was dieser Kürbis sagte. Der konnte ihm viel erzählen! Wenn ein Kürbis mit ihm sprach, was dieser Frucht nicht zustand, war etwas überhaupt nicht in Ordnung. Also fragte Wendler misstrauisch: „Wie kann ich denn sicher sein, dass ihr mich nicht nach Strich und Faden leimt, du und dein König? Wer sagt mir denn, dass du kein faules Früchtchen bist oder ein Zaubermittel enthältst? Du kannst ja noch nicht mal beurteilen, ob du reif und schmackhaft bist!“
„Dass ich reif bin, kann ich Ihnen versichern. Das kann ich selbst beurteilen. So wie Sie wissen, wie alt Sie sind, weiß ich auch, wie alt und reif ich bin. Was ich jedoch nicht beurteilen kann, ist, ob ich schmackhaft bin. Wer könnte das schon von sich selbst sagen? Aber seine Majestät hätte mich sicherlich nicht für Ihre Mahlzeit ausgewählt, wenn ich nicht schmackhaft wäre!“
Wolfgang Wendler bezweifelte natürlich, dass Kürbisse überhaupt etwas wussten, und dass sie auch nur die geringste Ahnung von Geschmacksfragen hatten. Aber dazu sagte er nichts. Ihm ging eine ganz andere Frage durch den Sinn, die er viel wichtiger fand.
„Warum lässt sich dein König zuerst ganz normal von mir kaufen und nach Hause bringen, bevor es ihm einfällt, sich aus dem Staub zu machen?“
„Das weiß ich nicht! Aber alles braucht seine Zeit. Wahrscheinlich war die Zeit für Cucurbitus Rex noch nicht reif, um etwas zu tun.“
Wendler war immer noch nicht überzeugt davon, dass er mit diesem Kürbis ein ganz normales Exemplar bekommen hatte, mit dem er tun konnte, was man eben mit Kürbissen so tat. Er bückte sich also und befühlte die Frucht sorgfältig. Schließlich fasste er sich ein Herz, nahm den Kürbis unter den Arm, schloß die Haustür auf und trug den Kürbis in die Küche.

Irene saß am Küchentisch und trank eine Tasse Kaffee. Sie betrachtete die Frucht erst einmal sehr aufmerksam und sagte schließlich: „Ach, da hast du aber noch einen schönen Kürbis gekauft!“ Und da Wendler einen zweifelnden oder skeptischen Unterton in der Stimme seiner Frau zu hören, glaubte, erwiderte er scharf: „Natürlich habe ich noch einen schönen Kürbis kaufen können. Den werde ich zu einer Kürbissuppe verarbeiten, die einerseits kräftig und rustikal und andererseits raffiniert und delikat schmecken wird. Es wird so sein, wie ich es schon die ganze Zeit vor hatte, und wie es sich gehört. Und ich möchte bis zum Abendessen von niemandem gestört werden, basta!“

Irene stand auf und sah ihren man mit einem beruhigenden Blick an. „Es gibt keinen Grund zur Aufregung! Heute Abend geben wir für unsere Freunde nichts weiter als ein gutes und gemütliches Essen!“
„Das will ich wohl meinen! Und lasst mich bloß mit diesem Hokuspokus in Ruhe. Ich will keine Masken oder Kostüme sehen. Und die Kinder bleiben im Haus! Ich dulde es nicht, wenn sie da draußen im Nebel ‚rumlaufen!“ Er zeigte aus dem Fenster, vor dem noch immer oder schon wieder dichte Nebelschwaden hingen.
„Und ich will bis zum Abendessen niemanden hier sehen! Ist das klar?“ Irene nickte und ging mit ihrer Kaffeetasse in der Hand aus der Küche.

Da Alex und Ben ein neues Computerspiel bekommen hatten, war es nicht schwer sie zu überreden nicht in die Küche zu gehen. Ausnahmsweise war es Selma, die Ärger machte. Sie hielt sich gern mit ihrem Malzeug oder Bastelsachen in der Küche auf und hatte Spaß daran beim Kochen zu helfen. Außerdem war sie immer noch traurig und wütend über das, was am Vormittag geschehen war, war von ihren Brüdern wegen ihrer Unterhaltung mit Cucurbitus Rex verspottet worden, würde ihr Katzenkostüm nicht tragen dürfen und hatte so gar keine Lust auf das langweilige Abendessen mit den Leukers und den Verbeks. Erst, als Irene ihr versprach, dass Leonie bei ihr übernachten durfte, war Selma bereit mucksmäuschenstill bis zum Abendessen in ihrem Zimmer zu bleiben und das Katzenkostüm auszuziehen.

Bis die Gäste, Familie Verbek und Familie Leuker, pünktlich um sieben Uhr eintrafen, lief es für Wolfgang Wendler sehr gut, denn alles verlief vollkommen normal. Er konnte in aller Ruhe in seinen zahlreichen Kochbüchern nach der passenden Vorspeise und dem Nachtisch stöbern. Alle Zutaten ließen sich ohne Summen und Gegenwehr verarbeiten, sogar der Kürbis. Und der schmeckte ausgesprochen gut.

Die Leukers trafen zuerst ein. Helmut Leuker war im Stadtrat und der Vorsitzende des örtlichen Kleingärtnervereins. Helmut und Sabine Leuker kamen mit ihren drein Kindern. Familie Verbek hatte einen Kiosk mit Lottoannahmestelle. Das Ehepaar Verbek kam mit ihren drei Kindern und der Mutter von Heiner Verbek, Hermine. Wolfgang Wendler nahm es als ein gutes Zeichen, dass keines der Kinder verkleidet war.
Nach der gewohnt herzlichen Begrüßung setzten sich alle an den großen Esstisch, um einen Aperitif zu trinken.
„und, was gibt’s Neues?“, fragte Wolfgang Wendler. Helmut Leuker bekam einen hochroten Kopf, sah alle am Tisch nacheinander an, bevor er so ruhig wie es ihm möglich war, sagte: „Seit siebzehn Uhr 14 steht fest, dass es in diesem Jahr beim Herbstfest des Kleingartenvereins keinen Kürbiswettbewerb geben wird!“
Seine Frau Sabine sah ihn beunruhigt an und meinte schließlich: „Ich glaube, dass erzähle ich lieber, sonst regst du dich wieder so furchtbar auf!“
Leuker sah seine Frau, die selten etwas sagte, misstrauisch an. Aber Sabine Leuker ließ sich diesmal nicht beirren.
„Es war genau um halb drei heute Nachmittag, als ich leises Rumoren aus dem Garten gehört habe. Es war ein Kullern und ein leises Summen. Ich habe Helmut Bescheid gesagt, dass er mal im Garten nach dem Rechten schauen sollte und habe ihm die Geräusche beschrieben, aber er wollte nichts davon wissen, hat mich nur angesehen als ob ich nicht mehr alle Latten am Zaun hätte. Als ich wieder in die Küche ging, um Kaffee zu kochen und zufällig aus dem Fenster sah, konnte ich beobachten wie ein großer, glänzender Kürbis auf unseren Schuppen zu rollte. Danach waren Geräusche aus dem Schuppen zu hören und später auch wieder aus dem Garten. Als Helmut zum Kaffeetrinken herunterkam, hörte er das Kullern und Summen auch. Aber da entfernte es sich schon von Haus und Garten. Dann wurde es bald wieder ganz ruhig. Nach dem Kaffee ist Helmut dann in den Garten gegangen und hat festgestellt, dass der Kürbis, den er zum Kürbiswettbewerb angemeldet hatte, verschwunden war, und dass nach Jahren unser Schuppen endlich mal wieder aufgeräumt ist.“
Sabine machte eine kurze Pause. Dann fuhr sie fort: „Im Verlauf des Nachmittags zeigte es sich dann, dass alle Kürbisse, die für den Wettbewerb vorgesehen waren, verschwunden sind. Und es wurde beschlossen, dass deshalb der Kürbiswettbewerb in diesem Jahr ausfallen muss.“

Irgendetwas hatte Leuker an der Schilderung seiner Frau missfallen, denn er sah sie wütend an. Das war es wohl, was Sabine Leuker dazu veranlasste, weiterzusprechen: „Es ist zwar sehr schade um den schönen Kürbis. Aber die Sache hat auch viel Gutes. Unser Schuppen ist endlich ordentlich. Und ihr habt immer so ein fürchterliches Theater um diesen Kürbiswettbewerb gemacht.“
In diesem Augenblick stand Wolfgang Wendler auf und schenkte allen noch einmal nach. Dann ging er rasch in die Küche, um die warmen Brötchen mit Gemüsefüllung zu holen. Es schien ihm höchste Zeit zu sein, für reichlich Nahrung in fester und flüssiger Form zu sorgen, denn in der langen Zeit der Freundschaft, die diese drei Familien miteinander verband, hatte es noch keine offene Frage oder Auseinandersetzung gegeben, die nicht durch eine gute, üppige Mahlzeit und reichlicher Flüssignahrung zugestopft oder weggespült worden wäre. Und diese Rechnung schien auch diesmal aufzugehen. Alle langten kräftig zu. Nur Selma und Leonie, die jüngste Tochter der Leukers, die wie Selma vier Jahre alt war, hielten sich zurück.

Schließlich fragte Selma: „ich möchte doch gerne wissen, was Cucurbitus Rex und seine Leute noch so vor haben?“
„Wie bitte?“, fragten Wendler und Leuker gleichzeitig. Und beide hatten ihren Mund noch nicht leer.
Es war Helmut Leuker, der zuerst in der Lage war, nachzuhaken: „Woher, weißt du in drei Teufels Namen, wie das Scheusal heißt?“ Leukers Stimme klang sehr wütend und die Zornesröte war in sein Gesicht gesprungen.
Als Selma dann auch noch die zornigen Blicke ihres Vaters und ihrer Brüder sah, wurde sie unsicher, ob sie noch etwas sagen sollte. Aber sie wusste schon, dass Angriff oft der beste Weg zur Verteidigung ist. Und es gelang ihr in dem betont geduldigen Ton, den sie selbst allzu oft zu hören bekam, den wohl niemand ertragen kann, weil er meist vor wohlmeinender Herablassung strotzt oder so klingt als ob man mit einem dummen Ding spricht, zu antworten: „Woher ich den Namen weiß? Das ist doch ganz einfach. Ich weiß den Namen, weil mir der Kürbis seinen Namen gesagt hat. Papa hatte ihn auf den Küchentisch gelegt. – Und was macht man, wenn man irgendwo ‚reinkommt oder ‚reingebracht wird? – Man stellt sich erst mal vor!“
„Kann hier jemand diese Version bestätigen?“, fragte Leuker. Und seine Stimme klang nicht mehr ganz so wütend wie zuvor. Wolfgang Wendler und seine beiden Söhne schafften es ahnungslose Gesichter zur Schau zu stellen. Sie wollten nicht, dass herauskam, welche Rollen sie in der Sache mit Cucurbitus Rex gespielt hatten.
Da sie an diesem Vormittag nicht begriffen hatten, was vorgegangen war, war es nicht gelogen, da sie die Sache ganz anders erlebt hatten als Selma. Doch sie konnten kein reines Gewissen dabei haben. Denn es war längst genug Zeit vergangen, die gezeigt hatte, dass stimmte, was Selma erzählte. Und so mussten sie alle drei etwas tun, damit niemand etwas merkte, und um dieses leise Mahnen der inneren Stimme zu übertönen. Und während sich Irene Wendler an Helmut Leuker wandte, um ruhig mit ihm zu sprechen, standen Alex und Wolfgang auf, um die Kürbissuppe und neue Getränke zu holen. Ben blieb an seinem Platz sitzen. Er saß da und scharrte ungeduldig mit den Füßen. „Jeder hat mit Cucurbitus Rex heute seine ganz eigene Geschichte erlebt. – Und ich war heute Morgen auch dabei und kann bestätigen, was Selma erzählt hat.“
Als seine Mutter zu ende gesprochen hatte, wandte sich Ben an seinen Patenonkel Helmut Leuker und sagte: „Die Selma ist ja immer noch wie ’n Baby, klein und dumm. Und darum hat sie dem Kürbis die Tür aufgemacht, weil sie geglaubt hat, dass er was Wichtiges vor hat. Sie hat ihn losgelassen, das dumme Ding!“
„Stimmt!“, erklärte Selma. „Ich hab’ Cucurbitus Rex die Tür aufgemacht. Und ich hab’ dem Papa auch ausgerichtet, dass er auf jeden Fall einen neuen Kürbis bekommen wird. Aber er wollte mir wie immer nicht glauben. Und dann sind Papa, Ben und Alex wie die Verrückten hinter ihm her.“

Weiter kam Selma mit ihrer Geschichte nicht, denn in diesem Augenblick stellte ihr Vater den Topf mit der Kürbissuppe auf den Tisch und erklärte mit stolz geschwellter Brust: „Und ich kann euch versichern, dass ich uns dann noch einen überaus schmackhaften Kürbis besorgt habe, der aber ansonsten ein ganz normaler Kürbis ist und sich deshalb zu dieser Kürbissuppe nach meinem Spezialrezept verarbeiten ließ.“ Dann nahm er den Deckel ab und Leuker nahm triumphierend den Schöpflöffel in die Hand und tat sich eine besonders große Portion auf.
„Riecht wirklich schmackhaft, Wolfgang!“, erklärte er und steckte sich den ersten Löffel in den Mund. Dabei machte er ein Gesicht, als habe er einen seiner ärgsten Todfeinde mit einem ganz lockeren Handstreich besiegt.
„Absolut delikat!“, meinte er, nachdem er seinen Mund wieder leer hatte. Und in seinen siegestrunkenen Gesichtsausdruck mischte sich eine gehörige Portion Gier.

Alle beeilten sich von der Suppe zu nehmen. Und nachdem sich die erste Gier und Euphorie gelegt hatten, wandte sich Helmut Leuker wieder an Selma.
„Wenigstens gibst du zu, dass du schuld daran bist, dass dieser Kürbis uns heimgesucht hat!“
In diesem Augenblick legte Hermine Verbek ihren Löffel demonstrativ neben ihren Teller und funkelte Helmut Leuker zornig an.
„Helmut Leuker, fang’ bloß nicht schon wieder an deine Wut darüber, dass dein Kürbis weg ist, an einem Anderen auszulassen!“
„Mutter, lass’ gut sein! Reg’ dich nicht auf und misch’ dich gefälligst nicht überall ein!“, versuchte Heiner Verbek zu schlichten. Doch Hermine Verbek schien ihren Sohn überhaupt nicht gehört zu haben, denn sie fuhr fort: „Vielleicht geschieht es dir selbstgerechtem Lackaffen ja ganz recht, dass dein Kürbis weg ist und du so auch in diesem Jahr den Wettbewerb gegen den alten Koller nicht gewinnst. Aber das sei mal dahin gestellt! Es geht aber überhaupt nicht an, dass du in Wildwestmanier ‚rumläufst und alles und jeden beschuldigst und nieder machst! Und ich schwöre dir, dass ich dich das nächste Mal ‚rausschmeiße, wenn du dich in meinem Laden noch mal vordrängelst und dich so unverschämt verhältst, wie du heute die Frau Baumann behandelt hast!“
„Aber Mutter, wenn, äh, wenn so ungewöhnliche Dinge wie heute passieren, dann liegen doch bei allen die Nerven blank. Da sagt man dann Sachen, die man gar nicht so meint!“ Und wohl nicht nur, weil dieser Vorstoß ihres Sohnes irgendwie kläglich geklungen hatte, funkelten die stahlblauen Augen, der kleinen, alten Frau Heiner Verbek herausfordernd an.
„Hast du den Ton seiner Stimme noch im Ohr?“, fragte Hermine ihren Sohn. Dabei hatte ihre Stimme einen ungewöhnlich scharfen Unterton.
Ihr Sohn wusste nicht mehr, wohin er sehen sollte. Auch davon ließ sich seine Mutter überhaupt nicht beeindrucken. Sie wandte sich an alle, die am späten Nachmittag nicht in ihrem Geschäft gewesen waren. Und sie erzählte ihnen: „Am späten Nachmittag war der Laden ganz besonders voll, weil morgen Allerheiligen ist und deshalb alle ihre Lottoscheine heute schon abgegeben haben. Und alle haben über ihre Erlebnisse mit diesem ganz besonderen Kürbis geredet, wie er zum Beispiel heute Mittag von Wolfgang, Alex und Benn verfolgt, durch die Hauptstraße gerollt ist. – Das habe ich übrigens selbst auch gesehen. – Alle haben große Reden geschwungen, was sie mit diesem Kürbis tun wollen. Vor allem der Helmut und sein Spießgeselle, dieser Gernert, haben das Maul aufgerissen. Der Helmut und der Gernert haben sich aufgeführt wie die Verrückten. Sie wollten eine Bürgerwehr, eine Todesschwadron, nie dagewesener Größe gründen, den Kürbis dingfest machen und zwar sofort. Dann kam die Frau Baumann ins Geschäft und hat auch einen Lottoschein abgegeben, was sie seit dem Tod ihres Mannes und ihrer beiden Kinder nicht mehr getan hat. Und als sie gefragt wurde, warum sie denn jetzt wieder einen Lottoschein ausfüllt, hat sie, weil sie gehört hat, dass alle über Cucurbitus Rex gesprochen haben, erzählt, was sie mit dem König der Kürbisse erlebt hat. Sie hatte ihn auf ihr Haus zukommen hören. Und er hatte ihr freundlich erklärt, dass er in guter Absicht gekommen sei. Er ist dann siebenmal gemächlich um ihr Haus herumgekullert, bevor er wieder davon gerollt ist. Und weil die Sieben nun mal die Zahl der Fülle ist, hat die Frau Baumann zum ersten Mal nach siebeneinhalb Jahren einen Lottoschein ausgefüllt. Alle, besonders Helmut und dieser struntedoofe Gernert, haben sich furchtbar über ihren Aberglauben aufgeregt und sie beschimpft. Als sich dann aber die Aufregung gelegt hatte, wollten alle ihre Zahlen wissen. Und als die Frau Baumann ihre Zahlen nicht verraten wollte, gingen die Beschimpfungen von vorne los. Ins Irrenhaus wollten sie sie schicken. – Und wie gesagt, dieser absolut feindselige Ton mit dem Neid im vorauseilenden Gehorsam dabei! – Einfach nur noch peinlich, anmaßend und schrecklich!“
„Aber Hermine, du musst doch zugeben, dass es vollkommen verrückt und finsterster Aberglaube ist! Vor allem behauptet sie, dass in der Summe, die sie gewinnen wird, mindestens auch eine Sieben enthalten sein wird!“, verteidigte sich Helmut Leuker.
„Ich finde das nicht verrückter als eure Idee mit der Bürgerwehr, der bis unter die Zähne bewaffneten Armada gegen einige Kürbisse vorgehen zu wollen! Mal sehen, wie diese Sache ausgeht. Mich jedenfalls würde es freuen, wenn bei der Frau Baumann in der nächsten Zeit Post von der Lotterie kommt!“
„Mich auch!“, sagten Selma und Leonie gleichzeitig.
„Du gehst jetzt gefälligst sofort ins Bett!“, fauchte Wolfgang Wendler Selma an. „Du hast schon mehr als genug Unfug gemacht.“

Selma sah ihre Mutter an. Irene wagte zwar nicht ihrem Mann zu widersprechen. Aber sie sagte: „Geht schön brav nach oben, Selma und Leonie, hört euch noch eine Geschichte an. Ich komme dann gleich noch mal zu euch!“ Die beiden Mädchen gingen nach oben, ohne zu widersprechen. Wendler war froh, dass seine Strategie aufging. Denn das Thema Cucurbitus Rex und seine Folgen war zumindest für diesen Abend erledigt. Bevor sich die Mädchen eine Gutenacht wünschten, meinte Leonie zu Selma: „Ich wünsche mir, dass die Frau Baumann so viel Geld bekommt, dass in der Zahl siebenmal die Sieben vorkommt!“ „Das wünsche ich mir auch!“, erwiderte Selma.

Hermine Verbek ärgerte sich darüber, dass die beiden Mädchen nichts von dem köstlichen Eis bekamen, was es an Halloween bei Wendlers zum Nachtisch gegeben hatte. Und als sie Leonie und Selma am Nikolaustag dieses Jahres vor ihrem Kiosk sah, rief sie sie herein und spendierte ihnen zur Feier des Tages ein Eis. Denn im Dorf war bekannt geworden, dass Frau Baumann 777.777,57 Euro im Lotto gewonnen hatte. Eine Bankangestellte hatte ihren Mund nicht halten können. Und alle redeten über die Summe. Doch vor allem die männlichen Wendlers, Helmut Leuker und Heiner Verbek vermieden es davon zu reden, wie es zu dieser Summe gekommen sein musste. Und sie vermieden über alles zu reden, was mit Cucurbitus Rex zusammen hing. Sie hielten ihren Mund nicht nur, wenn Hermine Verbek es hören konnte. Vor allem Wolfgang Wendler und Helmut Leuker wollten kein Wort mehr über den Kürbis verlieren. Schließlich konnte er zu Halloween wieder kommen und Dinge tun, die sie nicht im Griff haben würden. Das wollten sie auf keinen Fall heraufbeschwören.

© Paula Grimm, 31.10.2017

Schmackhafte Vorsätze (Sieben Sachen)

Guten Tag,

heute geht es gleich zweimal weiter im Text, was die sieben Sachen betrifft. Die beiden skurilen Sachen sind jetzt an der Reihe, obwohl sie jahreszeitlich manchem vielleicht nicht als Lesefutter passen. „Was macht’s? Die fressen doch kein Brot“, würde meine Mutter jetzt sagen. Und weil das so ist, können beide Kurzgeschichten zu gegebener Jahreszeit zum passenden Termin natürlich erst oder wieder gelesen werden.

Für die Geschichte in diesem Beitrag gilt: „Vorsicht schwarzer Humor“.

Sie entstand für die schreibgruppe der evangelischen Blindenseelsorge im Rheinland zum Thema Silvester (2008-2009).
Ich wünsche gute Unterhaltung.

Schmackhafte Vorsätze

Lieber Benno, lieber Franz, lieber Fred und liebe Elfi,

meiner Einladung zu dieser Silvesterparty seid Ihr sicher alle gern gefolgt. Das freut mich aufrichtig! Illusionen über die Gründe Eures Kommens mache ich mir nicht. Seid herzlich in meinem Haus willkommen und stört Euch nicht daran, dass ich, wie Ihr sicherlich bereits gemerkt haben werdet, nicht leibhaftig anwesend sein kann und Ihr daher fast nur mit der Aufnahme, die Ihr gerade hört, Vorlieb nehmen müsst.

Eine Videoaufnahme habe ich Euch erspart, da ich ja alles andere als telegen bin, nicht wahr Elfi? Ihr hattet bestimmt mit einer Einladung zum Weihnachtsfest gerechnet, bei dem es dann ein besonders üppiges Menü und zahlreiche Geschenke hätte geben sollen. Es tut mir leid, aber diesmal war es für mich unumgänglich mich auf eines der Feste zu beschränken. Und zumindest zum Jahreswechsel ist es so wie Ihr es gewöhnt seid und wie Ihr es erwartet, es gibt reichlich umsonst.

Was die Feste betrifft, wird sich alles ändern. In gewisser Weise ist es schon das Ende, obwohl es nicht die letzte, sondern erst die vorletzte Einladung von mir ist. Was das letzte Fest, betrifft, so komme ich am Ende dieser Aufnahme noch darauf zu sprechen.

Dass es bezogen auf Einladungen und Feste in dieser Familie nicht so bleibt wie es war, ist einerseits eine schlechte Nachricht, denn ich werde nie wieder diejenige und die einzige sein, die den Beweis dafür antritt, dass Liebe durch den Magen geht, indem sie auffährt, was kulinarisch möglich ist. Andererseits ist es eine gute Nachricht für Euch, denn ab sofort müsst Ihr Euch nie wieder den Kopf darüber zerbrechen, warum Ihr mich nicht einladet, warum für Euch gelten kann, aus der Ferne liebt es sich leichter. Ich kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass ich meinen Teil dieses zwiespältigen Familienkonzepts erfüllt habe, denn ich weiß bestimmt, Ihr habt mich trotz meiner Unabhängigkeit und trotz meiner Lebensweise, die Euch überhaupt nicht in den Kram passen, die Ihr mir nicht zugesteht, einfach zum Fressen gern. Betrachtet also diese vorletzte Einladung und vor allem den folgenden Gang des Menüs als meinen aufrichtigen Dank für diese, Eure Liebe!

Da ich schon länger weiß, dass meine Tage gezählt sind, blieb mir genug Zeit meine Vorbereitungen zu treffen. Ich bin die Sache wieder einmal auf meine Art angegangen, habe so gelebt wie zuvor und habe dabei gleichzeitig einen außergewöhnlichen Plan speziell für Euch ausgeheckt. Und ich bin mir sicher, dass ihr mir gerade diesen besonderen Plan und seine Umsetzung, die wirklich nicht einfach war, nicht zugetraut habt. Unter uns gesagt, ist die Sache wie sie abgelaufen ist, nicht ganz legal. Aber ich werde Euch nicht mit den Einzelheiten über die Umgehung gewisser gesetzlicher Vorgaben langweilen.

Sollte Euch mein Vorgehen so befremden, dass Ihr Euch nur Rache als Motiv vorstellen könnt, muss ich Euch enttäuschen oder beruhigen, je nach dem, wie Ihr das empfindet. Nein, ich hege keine Rachegelüste, zum Beispiel wegen des Betrugs, den Ihr an mir bezogen auf Vaters Erbe begangen habt. Wozu auch? – Aus mir ist ja auch ohne Eure Firma was geworden und gut verdient habe ich auch, kaum zu glauben, nicht wahr, Benno?

Wir haben von unserer Mutter gelernt, man ist, was man isst. Also muss umgekehrt wohl gelten, man ist nicht, was man nicht isst. Und jeder braucht etwas anderes. Wenn nun das, was man braucht und noch nicht ist, „artgerecht“, also im Mitmenschen verfügbar ist, ist es naheliegend und folgerichtig sich das, was man braucht und noch nicht ist, vom Anderen zu nehmen oder sich von ihm freiwillig geben zu lassen. Ich gebe freiwillig, ungefragt und gern. Und ich bin daran gewöhnt mich nützlich zu machen. So nutze ich jetzt die Möglichkeit jedem von Euch das von mir zu geben, was er braucht, noch nicht hat und deshalb auch noch nicht ist. Und da wir unter uns sind, bleibt es in der Familie.

Dass meine Speisenauswahl für den folgenden, individuell auf jeden von Euch abgestimmten, Gang, Eurem Geschmack und Euren Vorstellungen vollkommen entspricht, wage ich zu bezweifeln. Schon, weil Ihr wie immer betonen werdet, dass Ihr anders und besser seid als ich, wird es Gemecker geben. Aber ich kann einfach nicht aus meiner Haut und tue und gebe, was ich kann. Und es bleibt ja in der Familie.

Aus kulinarischer Sicht sind die individuellen Speisen des nächsten Gangs absolut unbedenklich und nach den Regeln des guten Geschmacks komponiert. Dafür wird wie eh und je meine gute und treue Lena Sorge tragen. Dafür, dass mein Rezept bei und für Euch seine Wirkung tun wird, gibt es natürlich keine Garantie. Jede der folgenden Speisen ist ein leibhaftiger Wunsch von mir für einen jeden von Euch. Wenn es hilft, geht es Euch und Euren Mitmenschen bald besser und Ihr braucht für das nächste Jahr nicht einmal einen guten Vorsatz zu fassen, den Ihr eigentlich sowieso nicht halten wollt. Was Euch gleich vorgesetzt wird, ersetzt jeden guten Vorsatz, dem Energiestoffwechsel sei Dank! Und Ihr braucht nichts dazu zu tun als das, was ihr sonst auch tut, alles zusammenraffen und in Euch hineinstopfen, was Ihr kriegen könnt. Zumindest hat mein Plan für Euch bisher zeitlich ausgezeichnet funktioniert. Und wenn meine guten Vorsätze für Euch nicht wirken, zählen zumindest in gewisser Weise die guten Absichten und die Geste selbst. Da bin ich sicher! Und selbst Fred kann meiner nicht mehr habhaft werden wie ihm beliebt.

Benno, Dir habe ich ein gegrilltes Stück vom Nacken zugedacht. Du hast Dir dieses spezielle Gericht verdient, weil Du einer der größten, wenn nicht der größte, Geizkragen bist, den ich kenne. Aber Auch Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, alle Zutaten sind vom Feinsten. Und Du brauchst Dir auch keine Gedanken darüber zu machen, dass Du zu kurz kommst. Auch Dir gebe ich selbstverständlich gern Und in diesem besonderen Fall wirst Du mir sicher ausnahmsweise keine Verschwendungssucht unterstellen. Denn auch Dir gebe ich natürlich und wie immer gut, viel und gern. So handelt es sich bei dem, was auf Deinem Teller liegt, nicht nur um das größte Stück, sondern auch um die beste Marinade und nicht um das gepanschte, billige Zeug, das Du anbietest, wenn Du Dich genötigt fühlst, Gäste bewirten zu müssen. Und darum haben wir keine Kosten und Mühen gescheut, die besten und frischesten Zutaten in großzügiger Menge für Sauce und Beilagen zu beschaffen und diese hat Lena eigenhändig und sorgfältig verarbeitet. So bekommst Du ordentlich was zwischen die Zähne, Du alter Gierschlund!

Franz, wenn Du jetzt denken solltest, dass Du das pikante Herzragout nach Provincealischer Art bekommst, weil bei Dir seit eineinhalb Jahren ein Herzproblem medizinischer Art vorliegt, bist Du gewaltig auf dem Holzweg. Wäre das der Fall, müsste ich der Unbedenklichkeit meiner Speisen zum Trotz den Hinweis geben: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Du brauchst dieses schmackhafte Herzragout gegen einen Herzfehler, den Du schon seit wir alle denken und fühlen können, hast, der aber keineswegs angeboren und nicht medizinisch behandelbar ist. Hoffentlich hilft das Herz wenigstens ein Bisschen gegen Deine Kalt- und Hartherzigkeit gegen alles und jeden. Lena wird durch eine sachgemäße und liebevolle Zubereitung des Herzragots eine Speise zubereitet haben, bei der das Herz einerseits weich und zart ist, wie ein gutes Herz eben ist, das aber andererseits noch eine solide Konsistenz hat, wie es sein muss, um beherzt und gut zu leben. Das Herzragout weicher als Dein Herz zu kochen, war sicherlich die einfachere Aufgabe bei der Zubereitung des vorzüglichen Herzens. Von Dir stets als zu gutherzig befunden bleibt mir nur Dir von ganzem Herzen einen gesegneten Appetit und gute Besserung zu wünschen.

Fred, Deine herausragende Bedeutung als Kopf des Familienunternehmens würdige ich mit einem besonderen Leckerbissen, mit eingelegtem Hirn. Zumindest bei Dir bin ich mir recht sicher mit der Speisenauswahl richtig zu liegen. Außergewöhnliche Pläne und Ideen sind ganz nach Deinem Geschmack. Obwohl es durchaus sein kann, dass mein Einfall Dir wohl nicht undurchsichtig und abgefeimt genug ist. Aber ich habe natürlich meine Gutwilligkeit, die Dir immer schon ein Dorn im Auge war, und für die Du bislang immer Hohn und Spott übrig hattest, auch Dir gegenüber nicht verloren. Ich möchte Dir mit diesem exzellent zubereiteten Gehirn zeigen, dass ich guten Willens bin Deinem hervorragend entwickelten Denkvermögen ganz neue Impulse zu geben. Ich habe so meine Zweifel, ob dieses Gericht bei Dir überhaupt etwas bewirken kann, Du alter Starrkopf und Dickschädel! Aber zumindest beim Verzehr dieses schmackhaften Gerichts werden Dir nur gutartige Gedanken und Ideen in den sinn kommen. Denn die Zubereitung ist absolut delikat! Ich wünsche Dir gute Pläne und Ideen zum Nutzen aller, mit denen Du zu tun hast und jetzt erst einmal einen gesegneten Appetit!

Elfi, ich weiß, wie schwer es Dir gefallen ist, für die Dauer meiner Ausführungen Deine spitze Zunge im Zaum zu halten. Und es ärgert Dich, dass ich schon wieder einmal eine Möglichkeit gefunden habe, mich nicht auf Deine Lügen und Lästereien einlassen zu müssen. Und auch mit Deiner Angeberei habe ich ab sofort nicht mehr das Geringste zu schaffen. Keine Sorge, bei den folgenden Gängen wird Dir noch genug Zeit für Spott und Verleumdungen bleiben. Ich weiß ja leider nicht, ob und wann mein Gericht seine Wirkung entfaltet. Dass sich Zunge und Wange in Aspik im Vergleich zu den anderen Speisen dieses Gangs verhältnismäßig bescheiden ausnehmen, stört Dich bestimmt nicht. Denn Du bist ja gerade wieder einmal dabei abzunehmen und behauptest wie immer soooo bescheiden zu sein wie niemand sonst in der Familie. Du lebst aber Deiner Behauptung zum Trotz mit Deiner Habgier und Deiner Aufmachung nach dem Motto: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch es geht ganz ohne ihr!“ Daher drücke ich mit meinem Gericht für Dich den Wunsch aus, dass Du in den nächsten Jahren den Mund nicht mehr so voll nehmen musst und jetzt erst einmal einen guten Appetit!

Damit Ihr jetzt aber ungestört kräftig Zulangen, die nächsten Gänge des Menüs und den Jahreswechsel genießen könnt, möchte ich nur noch zwei Bemerkungen machen.
Zum einen möchte ich Euch herzlich zu meinem letzten Fest einladen, bei dem Ihr Euch wie immer um nichts kümmern müsst. Am Montag dem 05. Januar findet um 11.00 Uhr die Beisetzung derjenigen sterblichen Überreste statt, für die mir kein passender Verwendungszweck eingefallen ist. Ihr braucht Euch also nicht um den kläglichen Rest zu streiten. Und Ihr müsst Euch auch deshalb nicht sorgen, weil ich ja seit vielen Jahren das Doppelgrab auf dem Nordfriedhof habe, wo schon mein Richard seine Letzte Ruhe gefunden hat. Ihr braucht Euch also um nichts zu kümmern, keine Sorgen zu haben und müsst auch nichts bezahlen. Dass es eine kostenlose Veranstaltung ist, wird vor allem Dich freuen Franz, da Du ja derjenige bist, der Richard und mir in Wort und Tat immer gezeigt hast, wie überaus herzlich Du uns zugetan warst, gerade, sodass Du Dir von je her Sorgen gemacht hast, wie Du uns meiden konntest und uns zu verstehen gegeben hast, dass wir für Dich nichts wert sind. Endlich sind wir dann wieder vereint, der Richard und ich. Der Leichenschmaus wird dann um 12.00 Uhr im Restaurant des Seehotels stattfinden.

Die zweite Anmerkung, die ich eben angekündigt habe, ist, dass ich Euch beruhigen kann. Denn diese Silvesterparty ist wirklich nicht das Letzte, mit dem Ihr abgespeist werdet, wenn sich schon alles ändern muss. Nach dem kostenfreien Mittagessen im Seehotel findet nämlich direkt die Testamentseröffnung statt. Und ich verspreche Euch nicht zu viel, wenn ich sage, dass es sich für jeden von Euch lohnt, das erbe nicht auszuschlagen, obwohl ich den Löwenanteil meines Vermögens der Lena und den Belangen der Hunde in dieser Stadt vermache. Ich wünsche Euch also von ganzem Herzen einen schönen Jahreswechsel, alles erdenklich gute für das Jahr 2009 und viele weitere Jahre und vor allem gute Besserung!

Liebe Grüße

Susi

Novecento: Die Legende vom Ozeanpianisten

Guten Tag Ihr Lieben,

heute möchte ich Euch ein Buch vorstellen, das ich als Hörbuch gehört habe. Und ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich es schon gehört habe. Es hat mich so sehr beein druckt, dass es auf jeden Fall in die Bibliothek von Vielseitigkeit gehört.

Seiner Zeit, im Jahr 2001, bin ich einer Empfehlung des „WDR-Hörbuchmagazins“ gefolgt und habe es nicht bereut.

Heute, am 07. April 2024 konnte ich mich sehr freuen. Denn ich wurde fündig und habe die erste Version des Hörbuchs, das ich vor über 20 Jahren auf Kassetten gekauft hatte, auf CD erworben, nachdem es längere Zeit nicht mehr zu finden gewesen war.

INHALTSANGABE

Die Rahmenhandlung ist schnell und einfach erzählt. Die Virginian ist ein Passagierdampfer, der zwischen Europa und dem Hafen von New York verkehrt. Nach einer Überfahrt im Jahr 1900 haben alle Passagiere das Schiff im Hafen von New York verlassen. – Alle Passagiere? – Nein, nicht alle Passagiere! – Die Männer der Besatzung finden auf dem Klavier im Salon der ersten Klasse einen neugeborenen Jungen, der in einer Obstkiste liegt. Und sie kümmern sich um das Kind. Und sie geben ihm einen Namen. Es muss ein besonderer Name sein. Und so nennen sie ihn u. a. Novecento, 1900, seinem Geburtsjahr entsprechend.

Und Novecento wird das Schiff, die Virginian, nicht verlassen. Er wird der Ozeanpianist. Er verlässt das Schiff nicht, als der Kapitän beschließt, dass der Junge mit acht oder neun Jahren alt genug ist, die Virginian zu verlassen. Und er verlässt das Schiff auch als erwachsener Mann nicht, obwohl er eigentlich selbst beschlossen hat, die Virginian zu verlassen, um die Welt kennen zu lernen. Er verlässt die Virginian nicht, weil er erkennen darf, dass das nicht notwendig ist. Er muss nicht auf die Welt gehen, um sie kennen zu lernen, denn die Welt kommt mit ihren verschiedenen Menschen, Geschichten und ihrer Musik zu ihm auf das Schiff.

MEINE LESEERFAHRUNG

Der Untertitel lautet: Die Legende vom Ozeanpianisten. Und diese Geschichte hat alles, was eine Legende braucht. Sie ist wahrhaftig und phantastisch zugleich, wie es sich für eine Legende gehört.

So geschehen merkwürdige Dinge, zum Beispiel als Novecento bei einem Sturm die Bremsen des Pianos löst und versucht, das Klavier mit seinem Spiel durch den Raum zu führen. Aber was heißt schon merkwürdig? Das ist nichts Schlimmes. Es heißt ja nur, dass Dinge geschehen, die würdig sind, dass man sie sich merkt. Ich höre dieses Hörbuch immer wieder gern. Es ist genau das Richtige für einen Herbst- oder Winterabend aber auch für die Zeit an einem Nachmittag im Liegestuhl.

Auf dem Cover des Hörbuchs steht, dass der Autor diese Geschichte gefunden hat, als er in einer Bibliothek auf der Suche nach einem Roman war, der so ist wie das Leben. Und ich bin der Meinung, dass es stimmt. Es ist ein Roman, der wirklich so ist wie das Leben, obwohl sie als Hörbuch nur 98 min. beansprucht.
DIE GESTALTUNG DES HÖRBUCHS

Dazu, dass ich dieses Hörbuch so liebe trägt auch die akustische Gestaltung bei. Friedrich Schoenfelder hat es gelesen, als er schon über 80 Jahre alt war. Die Lesung dieses erfahrenen Schauspielers und Sprechers ist hervorragend, einfach und klar. Diese unaufdringliche und vollkommen angemessene Vortragsweise strahlt so viel Lebendigkeit aus, dass die Lebensweisheit, die im Text enthalten ist, noch vielfach verstärkt wird. Umrahmt wird die wunderbare Lesung von Ozean- und Pianoklängen, die zu diesem Hörbuch sehr gut passen.

Eigentlich gehöre ich ja zu diesen Menschen, die bei Lesungen musikalische Untermalung in den meisten Fällen nicht mögen. Aber hier ist die klangliche Begleitung wirklich passend gestaltet.

DATEN ZUM BUCH

Buchformat: Hörbuch mit 2 CDs
Verlag: Steinbach sprechende Bücher
Autor: Alessandro Baricco
Sprache deutsch
Lesung: Friedrich Schoenfelder
Spieldauer: 98 min.

Liebe Grüße
Paula Grimm

P. S.: Das kurze lebenskluge Buch lohnt sich auch für Leser*innen, die Bücher gern mit den Augen lesen.

Hildes Todesfall (Frauengeschichten sieben Sachen)

Auch die zweite Geschichte in der Kategorie Frauengeschichten in den sieben Sachen handelt von einem Todesfall, aber auch von Freundschaft.

Ursprünglich wurde diese Geschichte für die Schreibgruppe der evangelischen Blindenseelsorge im Rheinland im November 2003 verfasst.

HILDES TODESFALL

„Die Hilde ist plötzlich aufgestanden und auf eine junge Frau zugegangen. Die stand mit Freunden ziemlich nah bei den U-Bahngleisen. Die jungen Leute stritten darüber, was sie mit dem Freitagabend anfangen sollten. Die Hilde hat die junge Frau gegrüßt. Jedenfalls nehme ich das an. Verstehen konnte ich nichts. Sie machten gerade wieder eine Durchsage. – Doch, die Hilde hat sie gegrüßt, schüchtern, wie wir das machen, wenn wir Leute treffen, die wir von früher kennen. Die junge Frau hat auch etwas gesagt. Und eine Bewegung mit dem Arm hat sie gemacht. Die Hilde wankte, fiel ins Nichts, während die Linie 12 einfuhr. Und plötzlich fielen die Geräusche ineinander, wurden zu einem einzigen mächtigen Geräusch. Da macht man die Augen zu oder guckt weg, weil das Geräusch mit einem Mal so mächtig, übermächtig, ist, dass man erst mal mehr als genug hat.“

„Fiel ins Nichts, so ein Quatsch! Halt dein versoffenes Maul Alte!“ Inge antwortete nicht auf die Beschimpfung des jungen Mannes. Er war wie die anderen jungen Leute instinktiv zurückgewichen und stand jetzt unmittelbar neben Inge, die immer noch auf der Bank saß, auf der sie bis vor wenigen Sekunden, bis vor einer halben Ewigkeit, mit Hilde gesessen hatte.

Sie sah nicht zu den Gleisen hinüber. Sie wusste, dass es dort nichts zu sehen gab, was sie verstehen konnte. Sie betrachtete die jungen Leute. Der junge Mann, der sie beschimpft hatte, war seiner Haltung nach der unumstrittene Anführer. „Also hat der bloß eine dicke Lippe riskiert, weil die Anderen es von ihm erwartet haben, vorsichtshalber sozusagen!“ dachte Inge. Es war das typische Cliquenverhalten. Aber waren sie nicht alle doch schon ein bisschen zu alt für eine typische Clique? Hilde wusste aber, dass man sich immer so leicht verschätzte, weil die Meisten immer anders wirkten und sein wollten, als sie waren. Alle waren sorgfältig zurecht gemacht. Inge konnte sich nicht daran erinnern, jemals so aufgetakelt gewesen zu sein, obwohl sie auch bessere Zeiten erlebt hatte als diese, wesentlich bessere Zeiten. Dieser junge Mann und seine Freunde mussten nicht wissen, warum Inge mit sich selbst geredet hatte. Sie wollte doch nur begreifen, was passiert war, und was vorging. Für den Anfang musste dazu wohl eine einfache logische Kette genügen. „Fremde Leute beschimpfen, aber die ganze Zeit nur auf die Armbanduhr starren. – Dich meinen und dich doch nicht meinen, so ein feiger Hund!“

Leute von der Feuerwehr, dem technischen Hilfswerk und der Polizei trafen ein. „Guten Abend! Die Station muss geräumt werden, wenn Sie bitte so freundlich wären, uns n oben zu begleiten, damit wir Ihre Personalien aufnehmen können, und Sie uns freundlicherweise erklären können, was Sie gesehen haben!“, sagte eine junge Polizeibeamtin zu ihnen. Und Inge rappelte sich auf. Gerade das Aufstehen war für Inge seit einiger Zeit doch sehr beschwerlich. Aber einmal in Gang gekommen, wurde es zumindest etwas leichter. „Warum sollen wir mitkommen? Wir haben mit dieser, äh, Sache nichts zu tun!“ beschwerte sich der Anführer stellvertretend für alle Cliquenmitglieder. Die Beamtin würdigte er zwar eines Blickes, war aber ansonsten nicht freundlicher als zu Inge. „Wir wollen nur Ihre Zeugenaussagen aufnehmen!“ erklärte die Polizistin ruhig. Und die jungen Leute folgten den Beamten, wenn auch widerwillig zur Rolltreppe, die ins Zwischengeschoss der U-Bahnstation fuhr.

Inge bildete das Schlusslicht.

Als sich Inge auf die Rolltreppe stellte, musste sie an etwas denken, dass Hilde gesagt hatte: „Es ist ganz egal, wann man mit der Rolltreppe fährt, die Luft, die von der Klimaanlage hier ‚runtergeschubst wird, beißt immer. Ob sie warm oder kalt, feucht oder trocken ist, sie beißt, weil sie einfach nicht nach unten will.“ Und Hilde und Inge waren die Letzten, die ihr das verübelten, obwohl oder gerade, weil sie selbst, sich die meiste Zeit, fast freiwillig, unten aufhielten. In das Mittelgeschoss trauten sie sich häufiger. Denn dort gab es mehrere Imbissbuden und Bäckereien. Manchmal war Hilde aber auch allein auf Beutezug gegangen. Denn sie hatte ein sehr gutes Auge für Leute, die etwas übrig ließen. Und sie konnte unauffällig und geduldig wie eine Katze, die auf Beute lauert, warten, bis etwas für sie abfiel.Nach oben, auf den Markt, gingen sie nur, wenn sie unten vertrieben wurden, was inzwischen nicht mehr ganz so häufig vorkam, wie noch vor ein paar Monaten. Oben hatten andere ihr Revier. Und deshalb ging Inge auch an diesem Abend nur zögernd auf die Rolltreppe, die ganz nach oben führte. – Ganz nach oben?

Auf dem Markt angekommen, führten die Beamten die Gruppe zu einem Polizeiwagen. Inge blieb etwas abseits stehen und wartete darauf, von den Polizisten irgendwann befragt zu werden. Sie stand im Licht einer Straßenlaterne. Die Lampe spendete ein orangefarbenes Licht. Es regnete. Inge war froh darüber, nicht unter einer Laterne mit weißgrünlichem Licht zu stehen. In diesem Licht hätte sie wie eine Wasserleiche ausgesehen. Inge erinnerte sich plötzlich daran, wie es gewesen war, als sie noch eine eigene Wohnung in einem Mietshaus gehabt hatte, und wie es ausgesehen hatte, aus einem höheren Stockwerk bei Regenwetter auf diese orangefarbenen Lampen zu sehen. Von da oben hatte es ausgesehen, als wäre es kein Regen, sondern fließendes Gold, was sich auf die Straße ergoss. „So weit nach oben, dass ich das noch mal sehen kann,komme ich wohl nicht mehr. Und so allein, ohne die Hilde, bin ich inzwischen auch ein zu großer Angsthase, um so weit oben und so normal zu sein. Aber war die Hilde überhaupt jemals so weit oben gewesen, um nachts von oben auf die Orangefarbenen Laternen und den Regen gucken zu können?“

Wahrscheinlich hatte Hilde diesen Anblick nicht gekannt. Denn Hilde kam ursprünglich aus dem Umland der Großstadt, wo alles kleiner und weniger glanzvoll gewesen war. Diese eher ländliche Umgebung hatte Hilde gefallen. Sie hatte häufiger davon gesprochen, zum Beispiel von den Gärten. Aber von der Familie, die sie gehabt hatte, und die zerbrochen war, hatte sie dagegen kaum etwas erzählt. Hilde hatte einen Mann gehabt und zwei Kinder. Die Kinder waren inzwischen erwachsen. Die beiden hießen Niels und Nina und kamen, wie Hilde gemeint hatte, Gott sei Dank auf ihren Vater. „Hilde, erinnerst du dich noch an das Gespräch von den beiden jungen Frauen, die auf die Vier warteten und sich gefragt haben,warum man so oft nicht zu anderen Menschen durchkommt, warum man so oft nicht verstanden wird. Und wie die Eine zu der Anderen sagte dass jeder Mensch eben eine eigene, ganz andere Welt ist. Und dann kam ihre Bahn und du hast gesagt: „Wenn das stimmt, dann ist jeder hier unten eine eigene, ganz andere Unterwelt.“ Und recht hast du gehabt. Und weil das stimmt, musstest du weder mir, noch sonst jemandem alles von deiner buckligen Verwandtschaft erzählen.“

Es dauerte seine Zeit, bis die Beamten, die sich von der Ungeduld der jungen Leute nicht aus der Ruhe bringen ließen, die Personalien und Zeugenaussagen aufgenommen hatten. Die jungen Leute bekamen Termine, zu denen sie sich auf dem Präsidium melden sollten. Und als das vorbei war, standen sie plötzlich alle da, scharrten mit den Füßen, sahen sich in der Gegend um blickten auf ihre Uhren, beschäftigten sich mit dem Inhalt ihrer Taschen oder mit ihrer Aufmachung und konnten auf die Schnelle, an die sie normalerweise gut gewöhnt waren, ihre Unternehmungslust nicht wieder finden.

Die junge Beamtin kam mit ihrem Kollegen auf Inge zu. Und Inge kam das Gesicht der jungen Frau immer bekannter vor. Schließlich mussten sich die Beamten im Bereich der U-Bahnstation gut auskennen, denn hier gab es für sie häufiger etwas zu tun. So kannten sie auch Hilde und Inge, zumindest den Namen nach, und deshalb war Inge keineswegs verwundert, dass die Beamtin zu ihr sagte: „Guten Abend, Inge!“ „Guten Abend! Wissen sie vielleicht, ob die Hilde noch lebt?“ „Die Leute vom technischen Hilfswerk und der Feuerwehr sind noch da unten beschäftigt, aber sie wissen schon, dass die Hilde tot ist. Du hast sie doch gut gekannt, die Hilde!“ „Lieber Gott mach‘, dass die Hilde jetzt so weit unten ist, dass sie nicht noch weiter nach unten fallen muss. Und sei ihrer Seele gnädig!“ Später konnte Inge beim besten Willen nicht mehr sagen, ob sie das Gebet vor sich hingesprochen hatte oder nicht. Aber sie kam damit immerhin dazu, sich so weit zu sammeln, um mit der Beamtin weiter sprechen zu können. „Ja, wir waren seit einem Jahr befreundet. und so lange kannte ich sie auch, na, jedenfalls so ungefähr. Ich weiß aber nicht, wie die Hilde weiter hieß. Bei uns verliert man den Nachnamen zuerst. Ich weiß nur, weil sie das irgendwann wahrscheinlich ausversehen gesagt hat, dass sie nicht so hieß wie der Mann, den sie mal gehabt hat.“ „Und was ist eben passiert?“

„Die Hilde ist plötzlich aufgestanden und auf eine junge Frau zugegangen. Die stand mit Freunden ziemlich nah bei den U-Bahngleisen. Die jungen Leute stritten darüber, was sie mit diesem Freitagabend anfangen sollten. Die Hilde hat die junge Frau gegrüßt. Jedenfalls nehme ich das an. Verstehen konnte ich nichts. Sie machten gerade wieder eine Durchsage. – Doch die Hilde hat sie gegrüßt, schüchtern, wie wir das machen, wenn wir Leute treffen, die wir von früher kennen. Die junge Frau hat auch etwas gesagt. Und eine Bewegung mit dem Arm hat sie gemacht. Die Hilde wankte, fiel ins Nichts, während die Linie 12 einfuhr.“

„Hat die junge Frau sie gestoßen? Ist sie verantwortlich für den Sturz?“ Die Fragen waren naheliegend und berechtigt. Das spürte Inge sofort. Aber das half nicht bei der Beantwortung der fragen. Schließlich fand Inge in ihrem Wortschatz Begriffe für Antworten, Die zumindest einigermaßen taugten. „Ein Gericht wird in dieser Sache nichts finden können, um herauszufinden, wer oder was Schuld ist, nehme ich an. Aber Schuld gibt es wohl schon, alte Schuld, Ungerechtigkeit, die neu geworden ist, durch die Verleumdung und die Abweisung, die Hilde erfahren hat. Die beiden hätten auch viel weiter voneinander weg stehen können. Verleumdung und Abweisung machten den Arm lang genug für eine Berührung, die die Hilde einfach ins Wanken bringen musste, zu Fall bringen musste. Die Hilde war überhaupt nicht unberührbar, im Gegenteil.“ Inge behielt diese Worte genau im Gedächtnis und wunderte sich später darüber, so etwas gesagt zu haben. Sie traute ihren Ohren nicht, als sie sich die Zeit nahm, das Gesagte vor sich zu wiederholen. andererseits konnte sie nichts Falsches darin finden.

„Du sagtest, dass du den Eindruck gehabt hättest, dass sie einander kannten.“ „Ich bin mir sicher, dass sie sich kannten.“ Und ich werde es Ihnen beweisen.“ Langsam, so schnell wie es ihr möglich war, drehte sich Inge um. „Du kannst nicht einfach auf sie zeigen. Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute!“ dachte Inge. Außerdem konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, dass ihr Arm viel zu kurz war für eine so weite Geste, selbst wenn sie sie für die Beamten mit einigen Worten angeschoben oder verstärkt hätte. Also ging Inge mit ihren kleinen, unsicheren Schritten auf die junge Frau zu. Einen Augenblick lang sah sie ihr unschlüssig ins Gesicht. Sie überlegte, ob sie ihr die Hand geben sollte. Aber sie war zu schüchtern für diese Handgreiflichkeit, wagte es nicht einmal, die Hand leicht auszustrecken. Doch sie brachte wenigstens den Mut auf, sie direkt anzusprechen und ihrem Blick standzuhalten. „Guten Abend, Nina! Herzliches Beileid zum Tod ihrer Mutter!“

Die junge Frau reagierte nicht. Doch das war Reaktion und Antwort genug.

© Paula Grimm, 18. Feb 2023

Achtundachtzig Blütenblätter für Gertrud (Frauengeschichten aus sieben Sachen)

Achtundachtzig Blütenblätter für Gertrud

Der Sommer setzte die Lebenden nicht mit flirrender Hitze unter Druck. Der Himmel hielt sich bedeckt. Es regnete nicht. Sanft wehte der Wind.

„Guten Tag, Daggi!“ „Herzliches Beileid auch dir,
daggi!“ „Wie geht es dir sonst so, Daggi?“ „Hallo, bald hätte ich dich übersehen, Daggi!“

Und Daggi, wie es aus aller Munde kam, hatte wie eh und je diesen falschen, verniedlichenden Klang. Es waren viele Leute zu begrüßen, Beileidsbekundungen entgegenzunehmen und vor allem Hände zu schütteln. Da das seine Zeit brauchte und sehr eintönig vor sich ging, gelang es den ganz alten Erinnerungen wie den Gerüchen von Haferschleim, den die Großmutter früher jeden Morgen für den Vater gekocht hatte, und dem Zitrusspülmittel aus der Vergangenheit und den Tiefen des Gedächtnisses aufzutauchen und so stark zu werden, dass sie die aktuellen In-Düfte der Parfüms, Deos und Aftershaves überlagerten und diese nach einiger Zeit sogar ganz zu verdrängen. Und plötzlich war auch wieder die Stimme der Großmutter zu hören, die wie zu ihren Lebzeiten in jenem Singsangdialekt von weiter rheinaufwärts sprach: „Jib dat schöne Händische, Daggi!“ Und wie eh und je klang sie dabei jammernd und schimpfend zugleich. Dieser und ähnliche Sätze in diesem Zungenschlag waren seit dreißig Jahren hier und in ihrer Familie verstummt. Doch da sie in früheren Zeiten so oft erklungen waren, mussten sie einfach ohne Sinn und Verstand in der Familie bleiben, bis der oder die Letzte, dem sie zu Lebzeiten zu Ohren gekommen waren, gestorben sein würde. Aber so oft die die Hinterbliebenen von der alten Frau Befehle erteilt worden waren, so oft sie geklagt, verurteilt und geprahlt hatte, Konnte oder wollte jemand aus der Familie diese jammernde Schimpferei imitieren.

Jeder bekam von Dagmar die rechte Hand und natürlich auch einen Gruß und einen Dank in der hiesigen leicht rauen Sprachweise. Ihre Rechte war wie die Linke und wie die Füße klein geraten und die Rechte war wieder einmal durch Macken an den Nagelbetten und einen Riss an der Daumenwurzel nicht das schöne Händchen.
„Wenigstens muss erst mal nicht gewinkt werden. Dabei verpasse ich wahrscheinlich immer noch den Einsatz, weil ein Abschiedswort noch lange kein Abschiedsblick und keine Kehrtwende zum Gehen ist, Blinde Kuh!“, dachte Dagmar.

„Es geht los, Daggi!“, sagte Martha, die Älteste von den fünf Kindern, die Gertrud geboren hatte. „Also bei ihr einhaken!“, gedacht, nichts gesagt und einfach getan, was jetzt angesagt war.

Der Weg zu dem Teil des Friedhofs, wo die anonymen Gräber waren, war, wie man so sagt, ein gutes Stück Weg. „Und gehen hilft immer irgendwie!“, bemerkte Dagmar still, während sich Martha auf dem Weg zum Grab gedämpft mit Leuten unterhielt, die vor und hinter ihnen gingen. Und deshalb musste sie auf dem Weg nicht Daggi zu ihr sagen. So war es leicht, den eigenen Gedanken nachzugehen. – „Gehen hilft immer irgendwie! – Gertrud war wie Martha die Älteste zuhause. – Zuhause in Ostpreußen, zuhause an der Bahnstrecke, wo dann irgendwann abends und nachts nicht mehr nur Güterzüge und Viehtransporte nach Osten rollten. – Zuhause, wo dann irgendwann auf den Güter- und Viehwagons Menschen nach Osten abgeschoben wurden. Und die Dunkelheit, durch die die Züge mit den Menschen in den Wagons gefahren waren, verhüllte die Tötungsabsichten und die Morde nicht, sodass Gertrud sie später genau erkannte. – Zuhause, wo dann später mit Menschen überladene Züge nach Westen fuhren. – Zuhause, von wo sich Gertrud ohne den Vater mit den Großeltern, der Mutter und den jüngeren Geschwistern zu Fuß in den ungewissen Westen hatte aufmachen müssen. Und die beiden Kleinen, Oskar und Renate waren auf der Strecke geblieben. – Gertrud war die Einzige gewesen, die nicht Daggi, sondern Dagmar zu gesagt hatte. – Voller Stolz, weil sie sich im diesem Fall einmal gegen ihren Mann und ihre Schwiegermutter durchgesetzt hatte. Anders als es bei den Namen der vier Geschwister gewesen war. So hieß Martha wie eine Jugendfreundin des Vaters. Martha empfand es als Zurückweisung so zu heißen wie jemand, die im Alter von zweiundzwanzig Jahren tödlich mit dem Auto verunglückt war. Und Martha empfand es mit Mitte vierzig immer noch unpassend, ja sogar unverschämt, dass Dagmar, Dagmar also taghell, hieß. Sie sagte immer wieder: „Es ist absurd, jemanden taghell zu nennen, die im dunkelsten Winter geboren ist, und die nie gesehen hat und nie sehen wird, was taghell ist.“
„Und selbst, wenn das stimmt, gibt es doch keinen triftigen Grund dafür der Namensgeberin und auch der Trägerin dieses Namens den Klang des Namens wegzunehmen und lebenslänglich mit diesem falschen und verniedlichenden Ton Daggi zu sagen!“, dachte Dagmar dann jedes Mal.

Schließlich erreichten sie den Platz, an dem Gertruds Urne beigesetzt werden sollte. Der Mandatar wartete bis alle Trauergäste sich in einem großen Halbkreis um das offene Urnengrab versammelt hatten. Dabei ließ sich ein Augenblick der Stille und des Stillstands nicht vermeiden. Und wenn Dagmar geistesgegenwärtig genug gewesen wäre und mit dem schönen Händchen, mit dem Linken, das von Herzen kommt, in die Luft gegriffen hätte, hätte sie wohl ein großes stück von dem nur scheinbar so kleinen Glück aufgeschnappt, dass die Natur einfachen, bodenständigen Leuten wie Gertrud schenkt, Leuten, die das Herz am rechten Fleck haben. So blieb Dagmar nur die Zeit festzustellen, dass Gertrud ihren Platz für die ewige Ruhe richtig gewählt hatte. Es war ein Ort mit Gras, Blumen und Bäumen. Gertrud hatte Orte in ihrem garten so geschaffen wie dieser Platz, an dem sie bestattet werden würde, waren, Orte mit Gras, Blumen und Bäumen. Gertrud hatte es verstanden. Wer nicht einfach heimisch sein darf, wo er ist, der muss sich heimisch machen. Aber, wer solche Plätze schafft, schafft keine vollkommen heile Welt. Dazu sind diese Plätze zu bescheiden und zu leicht zu zerstören. Und um Orte zu schaffen, an denen man sich wenigstens heimisch fühlt, muss man zu oft, zu viel und zu hart arbeiten, als dass ein Stückchen heile Welt entstehen könnte.

Der Trauerredner hielt eine kurze Ansprache. Und dann folgte zumindest das Vaterunser. Das Vaterunser war auch an diesem Platz und an diesem Ort gut und einfach, wie es immer ist und wie das Gehen. Es hilft immer. In seiner Einfachheit, Klarheit und Ungereimtheit war es Gertruds Leben und damit jetzt auch ihrem Tod näher und angemessener als jedes Lied. Denn die Worte dieses Gebets sind so gesetzt, dass man sie wie bei jedem Gang rhythmisch so gestalten kann, wie es gerade angemessen ist. Auf die Länge und die rituelle Struktur einer katholischen Messe war verzichtet worden, auch um falsche Gefühligkeit von Vornherein auszuschließen. Was mit falscher Gefühligkeit auch immer gemeint sein mochte. Und es stimmte, Gertrud war keine Kirchgängerin gewesen. Sie war in den Garten gegangen so lange sie konnte. Und ihren Garten hatte sie mit Kopf, Herz und Hand gepflegt und war damit bodenständig genug, um Herz und Seele nach oben und ganz weit offen zu haben. Und damit gehörte sie in einem ganz und gar umkonfessionellen zu den gläubigen Menschen. und sie hatte gebetet.

Und was konnte auf dieses einfache und dennoch großartige Gebet folgen? Jeder Trauergast ging zum Urnengrab. In den letzten Tagen war viel und laut über die Gertruds Beerdigung gesprochen worden. Und weil alle sich bemüht hatten, so schnell und so laut als möglich mitzureden, waren viele falsche Worte gemacht worden. Und sie alle hingen jetzt plötzlich nach dem Vaterunser in der Sommerluft. Und die Tränen, die Dagmar jetzt vergoss, konnten sie nicht wegspülen.

Jeder ging allein an das Grab, auch wenn sie zu zweit an das Erdloch traten wie Martha und Dagmar. Dagmar stand da und dieses Loch in der Erde fühlte sich an wie eine Wunde.

Plötzlich wurde Dagmar gewahr, dass neben ihr ein Korb mit Blütenblättern stand. Und links neben diesem Korb, also an der Herzseite war das Urnengrab. Auf die Blütenblätter und dieses Loch war Dagmar nicht vorbereitet gewesen. Denn darüber war in der Zeit nach Gertruds Tot kein einziges Wort gesprochen worden.

Dagmar erinnerte sich daran, wie sie vor fast dreißig Jahren auf diesem Friedhof aber an ganz anderer Stelle für die Großmutter väterlicherseits einen Kranz in ein größeres Grab geworfen hatte.

Und Gertrud hatte sich ihr anonymes Urnengrab auch deshalb gewünscht, um nicht neben ihrer Schwiegermutter in das Doppelgrab gelegt zu werden, dass ihr Mann gekauft hatte. Es war wohl dieser erfolgreiche Widerstand gegen den Willen der alten Frau und ihren Sohn gewesen, der vor nicht einmal einer halben Stunde mitverantwortlich dafür gewesen war, dass die Worte der Großmutter und der Gerüche von früher auf den Plan gerufen worden waren. Was waren schon ungefähr dreißig Jahre und ungefähr 200 M Luftlinie im Vergleich zu ausgewachsenem Starrsinn und einer riesigen Portion Bosheit?

„Was ist jetzt zu tun? – Hier geht es nicht um das schöne Händchen. – Wie viele Blütenblätter müssen es sein? – Achtundachtzig!“, dachte Dagmar. „Mensch Daggi, was machst du denn da? Du hältst den ganzen Verkehr auf!“, zischte Martha ungeduldig. Martha war oft ungeduldig aber so ungeduldig?

Nicht „Nicht die Sonne bringt es an den Tag sondern die Weite!“, dachte Dagmar. „ich zähle doch nur die angemessene Zahl der Blütenblätter für Gertrud ab!“ „Die angemessene Zahl für Gertrud?“ „Ja, für Gertrud, di mit dem Schwert Vertraute. So hieß sie doch!“ „Aber, warum sagst du Gertrud zu ihr, Daggi?“ Sie war unsere Mutter!“ „Ja! Das war sie auch! Aber das war sie nicht nur!“ „Wie viele von den Blütenblättern meinst du denn zu brauchen?“ „Die fünfundsiebzig für gelebte und erlebte Jahre habe ich schon! Also sind die Zeit der vielen Arbeit, die Zeiten des Kummers, die Zeiten der Sehnsüchte, Die Zeit der Vertreibung, die Zeiten der Krankheiten, die Zeiten der Schwangerschaften und Geburten, die Zeit der Pflege und so schon bedacht!“ „Und was kommt jetzt noch?“

Diese spitze Frage nahm Dagmar erst abends, als sie in ihrem Bett lag, ganz deutlich wahr. Was sie am Urnengrab aber in Echtzeit spürte, war Marthas immer noch wachsende Ungeduld. Sie hätte Dagmar gern stehen gelassen. Aber das traute sie sich nicht. Wenn sich Martha wenigstens mit den anderen Trauergästen hätte verbünden können. Aber die warteten geduldig in gebührendem abstand, nicht nur, weil sie Dagmars Tränen sahen. Zumindest die meisten spürten wohl auch, dass alles seinen angemessenen Gang für Gertrud und Dagmar ging. Und alles ging so gut wie möglich.

„Fünfundsiebzig für jedes gelebte und erlebte Jahr, eins als Trostpflaster für jeden Kummer, eins zum Trost für unerfüllte Sehnsüchte, eins für unerfüllte Liebe, eins für jede erlittene Ungerechtigkeit, eins als Lohn für jede Plackerei, eins für jede vergebliche Mühe, eins für jeden erlittenen Schmerz und für jede Krankheit. Und der Dank darf nicht fehlen, eins für jedes gute Wort, eins für die Zuverlässigkeit, eins für jede geübte Nachsicht, eins für die Liebe, die immer von Herzen kam, auch wenn sie immer nur eine praktische Gestalt angenommen hatte, eins für die Mühe um Gerechtigkeit und eins für die Bemühung um Verständnis, was oft nicht gelang was aber zu deinen Lebzeiten nie aufhörte.“

© Paula Grimm, 09. November 2023

Sieben Sachen im Zeichen des Regenbogens

Guten Tag und herzlich willkommen bei den sieben Sachen von Paula Grimm,

in den nächsten Tagen lade ich sieben kurze Prosatexte in diesen Blog. Die Sieben sind die ältesten Sachen, die ich geschrieben habe, die nicht dem Reißwolf oder der Löschung anheim gefallen sind, nachdem ich nach über drei Jahrzehnten des Schreibens beschlossen hatte, das Schreiben „errnsthaft zu betreiben“.

Es sind sieben Sachen, die durch sieben unterschiedliche Impulse entstanden sind.

Die Sieben ist für mich keine „böse“ Zahl, obwohl es die sieben Totsünden und die sieben mageren Jahre gibt. Denn andererseits gibt es in der Bibel auch die sieben fetten Jahre. Und für viele ist die Sieben die Zahl der Fülle.

Zudem sind da ja auch noch die sieben Farben des Regenbogens. Und die habe ich, obwohl von mir persönlich ungesehen, zum Leitbild der Geschichtensammlung, sieben Sachen, gemacht.

Die Zeichnung des Regenbogens, die das Cover für die Geschichten ist, stammt übrigens von Mira Alexander. Ich sag ihr an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank dafür.

Obwohl jeder Text seinen eigenen Schreibanlass hat, gibt es drei Hauptkategorien, in die sie gegliedert sind.

1. Frauengeschichten (Achtundachtzig Blütenblätter für Gertrud und Hildes Todesfall)
2. Skuriles (Cucurbitus Rex und schmackhafte Vorsätze)
3. Tierisches (Hundstag, Negritas Brief und Elsa und Mimmi)

Hier im Blog werde ich die Geschichten thematisch geordnet einstellen, und zwar beginnend mit den beiden Frauengeschichten. Dnach folgen die skurilen Sachen. Das Schlusslicht bilden die tierischen Texte.

Vorsicht! – Auch in einigen Texten dieser Sammlung darf ein Schuss Magie nicht fehlen. So geht es eben zu bei der Paula.

Ich wünsche Euch viel Vergnügen und gute Unterhaltung mit den Sieben Sachen und freue mich auf Fragen und Kritik von Euch!

Liebe Grüße

Paula Grimm

Übertötung statt Overkill

Guten Tag,

von ihr, Gesken Paulsen, werdet Ihr in den nächsten Jahren viel Lesen und hören. Über ihr Leben wird es kurze Geschichten, Erzählungen und Kurzgeschichten geben. Seit 2022 begleiten mich ihre Lebensgeschichten.

Es gab da einen Fall, den ich mir sehr genau vorgestellt hatte. Aber mir fiel auf, dass dieser Fall verbunden mit einer interessanten Lebensgeschichte für mich nicht zu schreiben war, ohne dass gesken ihre eigene Geschichte bekommt.

Derzeit arbeite ich an dem Roman über die Geschichte von Geskens Kindheit. Aber hier kommt eine Episode, die zunächst in einer Anthologie, farbenfrohe Dunkelheit, erschien.

Bei den BLAutoren bin ich nicht mehr aktiv. Und die Kurzgeschichte wurde leicht überarbeitet.

In diesem Text geht es darum, wie sich das Leben mit einer erlebten Katastrophe verändern kann, wenn sich der Mensch einen neuen, in gewisser Weise, eigenen Begriff von dem erlebten Unheil machen kann.
Übertötung statt Overkill

Am Abend des 07. Juli 1969 sitzt Gesken auf ihrem Bett. Ihr Zimmer ist ein schmaler Raum. In ihm stehen nur das Bett und ein Regal mit ihren Sachen. Er hat keine Tür.
Gesken kann in die Küche sehen. Die Küchentür ist offen. Ihre Mutter sitzt mit einer Illustrierten am Küchentisch. Der Geruch ihres schweren, süßen Parfums dringt Gesken in die Nase.

Gesken hört den Wagen ihres Vaters auf den Hof fahren. Der Vater stellt den Motor ab, bleibt aber wie immer noch kurze Zeit im Auto sitzen. Die Autotür wird zugeschlagen, die Schritte des Vaters kommen auf das Haus zu. Er öffnet die Haustür und geht in die Küche. Sein Geruch nach kaltem Rauch und Rasierwasser steigt ihr in die Nase.

Er wirft das Feuerzeug und die Schachtel mit den Zigarillos auf den Tisch. Er will erst einmal in Ruhe rauchen.

„Dass du es nur weißt, ich verlasse dich und den ganzen Scheiß hier!“
Diesen Satz hat die Mutter schon sehr oft gesagt. Aber bisher ist der Satz nie allein gewesen, ist immer in einem der vielen Wortgefechte gesagt worden, die die Eltern sich täglich geliefert haben. Auch der Tonfall ist anders als sonst. Der Satz stellt sich klar und deutlich zwischen ihre Eltern.

Der Vater merkt die Veränderung auch und hält inne. Er hat Gesken den Rücken zugedreht.
„Hast du gehört, was ich gesagt habe?“, keift die Mutter.
Der Vater nickt heftig und fragt:
„Ist da ein anderer Kerl im Spiel?“
Ein kurzes, spitzes Lachen ist die Antwort.

Die Mutter springt auf. Jetzt stehen sich die Eltern Auge in Auge gegenüber. Das lässt plötzlich alle Gefühle, die sie gegeneinander gehegt haben, los. Gleichgültigkeit, Machtgier, Zorn und Geltungssucht wirbeln herum. Ein Sturm, der Gesken erfasst, keinen Platz mehr für ihre Gefühle lässt, sie erstarren lässt aber ihre Wahrnehmungen schärft wie nie zuvor.

Dann beginnt der Vater in der Küche umherzugehen. Er holt Schwung für etwas, das noch nie da gewesen ist.
Gesken hört, wie er an der Anrichte inne hält, sich plötzlich umdreht und auf die Mutter zuspringt.
„Dass du es nur weißt, einen Viktor Eisenbeiß verlässt man nicht!“

Gesken sieht das Messer in seiner Hand aufblitzen, hört den langen Schrei der Mutter und wie sie auf den Boden fällt. Wieder und wieder sticht der Vater auf die Mutter ein. Bald schreit und bewegt sich die Mutter nicht mehr. Gesken sieht das Blut, das Messer, die Hand des Vaters und sein Gesicht.

Seine Bewegungen sind so schnell und heftig, dass sie Gesken und das gesamte Erdgeschoss besetzen. Daher kann sich Gesken nicht mehr bewegen. Mehr noch. Gesken kann gar nicht mehr reagieren. Denn auch der metallisch süßliche Geruch nach Blut, der die anderen Gerüche beherrscht, lähmt Gesken. In der Raserei bleibt das Gesicht des Vaters nicht unbewegt. Es hält mit der Hast des übrigen Körpers Schritt. Schnell leuchten Zorn, gekränkte Eitelkeit über die Zurückweisungen seiner Frau, Bosheit und Zerstörungswut in seinem Gesicht auf.
So heftig und hastig diese Gefühle in seinem Gesicht auftauchen und wieder verschwinden, ist da in der ganzen Zeit auch etwas, das gleich bleibt. Es ist wie ein dünnes Netz vor seinem Gesicht, das vor Genugtuung und Selbstzufriedenheit glänzt.
So plötzlich die Raserei angefangen hat, so plötzlich ist sie wieder vorbei. Dann ist das Gesicht des Vaters ganz leer. Das Messer fällt klirrend zu Boden. Aber er selbst fällt nicht um.

Er steht lange da. Sein Ausdruck wird ganz ruhig. Er bückt sich nach dem Messer, nimmt es an sich, grinst und geht an der Leiche der Mutter vorbei, die Treppe in den ersten Stock hinauf.

Gesken hört, dass er sich duscht, einige Sachen packt.
Er kommt mit einem Koffer in der Hand wieder herunter, nimmt die Schlüssel, geht hinaus. Kurze Zeit später hört Gesken den Vater wegfahren.

Es dauert, bis sie sich wieder bewegen kann, begreift, dass da niemand mehr ist, der sie zerstören kann.

Plötzlich war da die andere Stille, eine Stille, wie sie in Sälen herrschen kann. Doch es war nicht ganz genau die Ruhe, die Pr. Sidney Frederick von seinen kriminologischen Vorträgen kannte, und die er gern selbst erzeugte. Dazu stellte er immer eine Frage, und zwar so, dass niemand in seinem Publikum vor Spannung oder eingeschüchtert zu antworten wagte.

Dass die Stille den Experten des FBI aus dem weißgestrichenen Haus in Jensum und vom 07. Juli 1969 wieder in den Hörsaal und zum 08. Juli 1987 zurückführte, dauerte seine Zeit. Endlich war Pr. Frederick im Stande auf die aufgeschlagene Seite des Notizbuchs zu blicken, das vor ihm lag.
Oben stand: „Übertötung, Übertötung, Übertötung“.
Darunter las er in seiner eigenen Handschrift: „Gesken Paulsen, vorgeschädigt durch Kindheitstrauma, Vorgeschädigte sind die Schlimmsten, schlimmer als ehrgeizige Emanzen oder die mit schlechtem sozialem Gewissen, werden brillante Ermittler, wenn sie Ausbildung und die ersten Jahre überstehen. Overkill mit 42 Stichen, drei davon absolut tödlich, Todeszeit zwischen 19:30 und 20:30 Uhr.“

Pr. Frederick riss die beschriebene Seite aus dem Buch, faltete sie und steckte sie in die Brusttasche seines Jacketts. Er stand auf und ging nach vorn zum Pult.

Die junge Frau stand immer noch da. Sie stützte sich auf das Pult und hatte die Augen geschlossen.
Pr. Frederick sah zur Tafel hinüber. Die beiden Fotos klebten immer noch auf der grünen Fläche.
Das eine Bild zeigte einen gut gekleideten jungen Mann. Er hatte blondes Haar und trug eine teure Brille. Über seinem Foto stand: „Viktor Eisenbeiß“.

Das zweite Foto zeigte eine junge Frau in einem sehr weit ausgeschnittenem Sommerkleid. Sie war blondiert wie die Monroe. Das war Imke Eisenbeiß.

Zwischen den beiden Fotos hatte die junge Frau in Bildbreite Platz gelassen. Mit Kreide hatte sie auf die grüne Fläche geschrieben:
„Wenn ik Groot bün, fang ik Möörder.
Gesken Eisenbeiß, 12. Juli 1969.“

Pr. Fredericks Vortrag hatte wie üblich begonnen. Er hatte eine Eingangsfrage gestellt:
„Wer kann anschaulich erklären, was ein Overkill ist?“ Und wie sonst üblich war zunächst beredtes Schweigen die Antwort gewesen. Er hatte, um die Wirkung auf sein Publikum zu verstärken, einen strengen Blick aus seinen stahlblauen Augen von oben nach unten über seine Zuhörer schweifen lassen.

Plötzlich hatte sich sein Blick verfangen. Pr. Frederick hatte zunächst nicht verstanden, warum er seinen Blick nicht von der jungen Frau hatte lösen können.
Sie saß links außen in der ersten Reihe. Was er sofort begriffen hatte, war, dass sie seinem Beuteschema leider nicht entsprach. Für seinen Geschmack war sie mit ihren 1,90 Metern zu groß, mit dem sorgfältig geflochtenen schwarzen Bauernzopf zu dunkel. Und zu dünn war sie auch.

Was sie für ihn zu einem Blickfang gemacht hatte, war, dass er noch nie einen Menschen gesehen hatte, der aufmerksam war wie sie. So ruhig wie sie auf dem Platz gesessen hatte, hatte er den Eindruck gehabt, dass sie ihre Konzentration gleichermaßen nach innen und nach außen gerichtet hatte.

Dann hatte sie einen Stift genommen, etwas in ihr Notizbuch geschrieben und dabei die Lippen bewegt. Plötzlich hatte sie so schnell und heftig die Hand gehoben, dass die Bewegung Pr. Frederick erfasst hatte und er dem Impuls auf sie zu reagieren nicht hatte widerstehen können.
„Ja, bitte?“
„Ich kann anschaulich zeigen, was eine Übertötung ist.“
Ihre Stimme war tief und angenehm.
„Dann kommen Sie her und zeigen es uns.“

Sie hatte sich nach ihrem Rucksack gebückt und eine Mappe herausgenommen, bevor sie aufgestanden und an das Pult getreten war.
„Wie heißen Sie?“
„Gesken Paulsen, geborene Eisenbeiß.“

Sie war an die Tafel gegangen und hatte die Fotos ihrer Eltern mit durchsichtigem Klebeband auf die grüne Fläche geklebt und hatte die Namen darüber geschrieben.
„Da fehlen Sie doch noch.“

Sie hatte genickt und gesagt:
„Fotos gibt’s aus der Zeit nicht.“

Nach kurzem Nachdenken hatte sie dann ihren Schwur oder wie man es nennen sollte, auf die Tafel geschrieben und war zum Pult zurückgekehrt.

Pr. Frederick hatte sich auf ihren Platz gesetzt und gelesen, was auf der aufgeschlagenen Seite ihres Notizblocks gestanden hatte: „Übertötung, Übertötung, Übertötung“.

Als sie sachlich berichtete, was am 07. Juli 1969 vorgefallen war, klärte sich ihr Blick auf, als ob sie sowohl für sich selbst als auch ganz allgemein etwas aufgeklärt hätte, was schon lange der Aufklärung bedurft hatte. Ihr Blick war so klar und leuchtend geworden, dass die Augenzeugen zunächst wie geblendet gewesen waren, bevor sie sich dann hinter ihrem Blick als das Kind gezeigt hatte, das sie im Juli 1969 gewesen war. Ein schreckliches Wunder war dann geschehen. Die Anwesenden hatten miterlebt, was sie als Kind erlebt hatte.

Als Pr. Frederick dann schließlich neben ihr am Pult stand, ließ er einen prüfenden Blick durch den Saal schweifen. Viele Zuhörer waren noch immer leichenblass. Niemand hatte sich von der Stelle bewegt. Es roch nach Erbrochenem.

„Haben Sie jetzt, was Sie wollten? Ist es jetzt für Sie endlich vorbei oder was?“, fragte Pr. Frederick scharf. Gesken schüttelte den Kopf.
„Was machen Sie jetzt?“
Ihre dunkelblauen Augen sahen sich um. Dann antwortete sie: „Ich hole erst mal was zum Putzen.“

Als sie ging, um Putzzeug zu holen, suchte Pr. Frederick den Blickkontakt zu seinem alten Mentor, Prof. Hollmann.
Der alte Mann lächelte verschmitzt und sagte: „Ich habe Ihnen doch gestern beim Abendessen gesagt, dass heute ein guter Tag zum Lernen für Sie sein wird.“
Dann machte er eine Pause und fügte hinzu: „So lebendig und anschaulich werden auch Sie nie wieder eine Übertötung erleben.“

Pr. Frederick verzog das Gesicht und Prof. Hollmann sagte streng: „Beschweren Sie sich bloß nicht. Sie haben, was Sie wollten. Sie wollten doch einmal Live dabei sein und nicht immer erst kommen, wenn es vorbei ist.“
Hatte er sich das wirklich gewünscht? Er war wütend auf sich. Aber dieses von dieser Göre verursachte Gefühl wollte er nicht auf sich sitzen lassen.
„Man sieht sich immer zweimal im Leben. Die Blamage zahle ich dir heim, Gesken Paulsen, geborene Eisenbeiß.“

© Paula Grimm, 24.03.2024

Stella auf Erden

Guten Tag,

der folgende Roman zählt nicht zu meinen Lesefrüchten, sondern stammt aus meiner eigenen Schreibwerkstatt.
Titel: Stella auf Erden
Autorin: Paula Grimm
Veröffentlicht bei Bookrix
Klappentext

Stella wird als Schutzengel in Menschengestalt zum ersten Mal auf die Erde entsandt. Dabei büßt sie wie alle „Frischlinge im Erdeinsatz“ die Fähigkeit, sich zu beflügeln, und ihre Flugerlaubnis ein. Ihr Auftrag lautet, dass Leben von Magdalena Zindler nach einem schweren Unfall zu beschützen, bei der Heilung zu helfen und ihr Leben neu zu ordnen.
Das ist eine vielseitige Aufgabe. So muss sie sich auch um Magdalenas Freunde auf zwei und vier Beinen und um ihre Liebe zu Leo Bass kümmern. Auch Stellas Tarnberuf als esoterische Beraterin ist eine Herausforderung und zwingt Stella sich mit ihren Selbstzweifeln zu befassen, die vorwiegend auf den Erfahrungen mit ihrem früheren Chef und dem Ausbilder für Schutzengel herrühren.
Wird Stella ihre Selbstzweifel überwinden, damit sie alle ihre Aufgaben erfüllen kann? Und wird sie am Ende vielleicht sogar ihre Flugerlaubnis wieder erlangen?

Ebook/ISBN: 978-3-7554-2319-5
Taschenbuch/ISBN: 9789403705316
Link zum Taschenbuch bei Bookmundo

Engel sind schon sehr lange ein Thema für mich. Das Schutzengelgebet, das auch im Roman eine wichtige Rolle spielt und zum Beispiel auch in der Oper Hänsel und Gretel als Lied enthalten ist, ist mir seit frühester Kindheit vertraut.

„Schreib doch mal was Leichteres“,wurde ich nach dem Roman Felicitas aufgefordert. Da dachte ich ziemlich bald an Engel. Bei denen macht alles, was wir uns von ihrem Tun vorstellen, immer einen ganz leichten Eindruck.

So ganz leicht hat es stella dann natürlich doch nicht. Aber einfach könnte ja auch jede(r) oder nicht?

Ich wünsche Euch viel freude mit stellas erstem Einsatz in irdischen Gefilden!

Mein besonderer Dank gilt Mira Alexander für Lay Out und Umschlaggestaltung und den Lieben, die mir beiden anderen Formalia zur Veröffetnlichung geholfen haben.
Liebe Grüße

Paula Grimm
P. S. Über Anmerkungen, Kritiken und Fragen so wie Engelgeschichten von Euch freue ich mich selbstverständlich und über das Teilen auch.