Hundstag aus sieben Sachen

Cover zu sieben sachen mit Regenbogen
Spread the love

Guten Tag,

auch dieser Beitrag ist ursprünglich für die Schreibgruppe der evangelischen Blindenseelsorge im Rheinland geschrieben worden.

In den sieben Sachen gehört der Text in die Kategorie Tierisches.

Ich wünsche Euch gute Unterhaltung.

HUNDSTAG

Geschrieben im Sommer 2012 für die Schreibgruppe der evangelischen Blinden- und Sehbehindertenseelsorge im Rheinland zum Thema Ein- und Umzug.

Man fühlt sich einfach hundeelend an diesen Hundstagen. Seit vorgestern liegt ein Gewitter in der Luft. Es kommt aber nicht. Und bei dieser Affenhitze kommt man als Hund deshalb wirklich auf den Hund, will heißen, dass Hund auf sich allein gestellt ist und auf verlorenem Posten steht, weil die Menschen, um die der Hund sich zu kümmern hat, die Bullenhitze auch nicht besser vertragen als wir Hunde.
Sie sind gereizt und unkonzentriert und spätestens am Mittag scheint ihr viel gelobter Menschenverstand durch die Sonne verdampft zu sein, in der sie sich freiwillig rösten lassen.
Der heutige Tag war so richtig für die Katz. Das fing schon vor dem Aufstehen mit diesem Alptraum an. Mir träumte, ein dicker, lauter und stinkender Mann wäre mit einem Hund und zwei Katzen bei uns eingezogen. Als ich aufwachte, schimpfte ich mit mir selbst: „Emma, du bist doch kein hysterischer Kleinkläffer, sondern ein gestandener Rottweiler. Und dass Lena und Carmen noch mindestens einen Mitbewohner suchen, ist doch eigentlich eine gute Sache.“

Doch dieser ekelhafte Gestank des Mannes und der beiden Katzen gingen mir einfach nicht mehr aus dem Sinn. Woher kannte ich nur diesen scheußlichen Geruch? Trotzdem nickte ich noch einmal ein. Kurze Zeit später hörte ich Lena die Treppe herunterkommen und stand natürlich mit der falschen Pfote zuerst auf. Lena fand, dass ich nicht schnell genug an der Terrassentür war. „Emma, wo bleibst du denn? Jetzt aber ‚raus mit dir, hopp.“
Als ich gerade draußen war, machte Lena hinter mir die Tür zu. Und das ist eine von diesen isolierten Türen. So konnte ich nicht hören, was meine Frauchen drinnen besprachen. Da stand ich nun und merkte, dass mehr in der Luft lag als dieses Gewitter.
„Menschenskinder, ich passe wirklich gern auf euch auf. Aber wie soll ich das anständig tun, wenn ich nicht weiß, was abgeht?“
Also durchstreifte ich gewissenhaft witternd und aufmerksam lauschend erst einmal den Garten. Es war alles beim Alten und noch in Ordnung. Es war schon so warm, dass ich beim Gartenteich angekommen die unbändige Lust verspürte, ein kühles Bad zu nehmen. Doch ich darf nicht in den Gartenteich. Lena meint: „Das ärgert und stört die Fische.“ Mich stören verschlossene Türen, die Hund beim besten Willen nicht öffnen kann. Und diese blöde Terrassentür war so was von zu.
Schließlich machte mir mein Frauchen Carmen die Tür wieder auf. Doch es war klar, dass mir nichts anderes übrig bleiben würde, als den Vormittag im einigermaßen

kühlen Flur herumzulungern. Meine Frauchen arbeiten zwar Zuhause, aber ich kann Carmen nicht bei ihrer Übersetzungsarbeit und Lena nicht bei ihren Telefonberatungen helfen.
Gegen Mittag kam Lena die Treppe herunter, nahm meine Leine vom Haken und klinkte sie in meinem Halsband ein.
Aber wir machten keinen Spaziergang, sondern einen Einkauf. Die Einkaufstour war allerdings sehr aufschlussreich, wie es heute weitergehen sollte. Wir gingen zum Supermarkt, wo Lena Obst, Gemüse und Milchprodukte kaufte.
Danach ging Lena in die Metzgerei. Als sie herauskam, roch es aus ihrer Tasche köstlich nach Koteletts, Würstchen und Bauchfleisch. Das konnte nur bedeuten, dass heute Besuch zum Grillen kommen sollte. Ich mag Grillen eigentlich nicht. Der Feuergestank geht mir auf den Geist. Doch zumindest gibt es normalerweise für mich eine gute Portion ungewürztes Fleisch, oft sogar mit einem Knochen.

Auch in der Bäckerei kaufte Lena ein. Sie nahm von dort nicht nur Brot, sondern auch Kuchen mit. Also würde der Besuch schon zum Kaffeetrinken kommen. Endlich Zuhause angekommen, musste ich eine derbe Enttäuschung hinnehmen. Lena würzte das Fleisch, legte es in eine Marinade ein und verstaute es im Kühlschrank. Doch diesmal ließ sie nicht ein einziges Häppchen ungewürzt und schnitt nicht einmal einen kleinen Knöchen für mich ab. Was mochte das für ein Besuch sein, der Menschen dazu trieb, ohne Not den

gerechten Anteil für den treuen Rottweiler zu vergessen? Und wieder musste ich an den scheußlichen Kerl in meinem Alptraum denken. Ich bin ein wachsames, aber auch gastfreundliches Haustier. Doch als die Kühlschranktür vor dem Fleisch, von dem ich nichts abbekommen sollte, von Lena zugemacht wurde, erreichte meine Lust, diesen Besuch zu empfangen, ihren absoluten Nullpunkt.
Dann hieß es wieder warten. Doch endlich kam Carmen die Treppe herunter. Sie kochte Kaffee und deckte den Tisch. Als sie die Thermoskanne mit dem Kaffee auf den Tisch gestellt hatte, ging sie noch einmal nach oben, um sich frisch zu machen. Jetzt konnte es wirklich nicht mehr lange dauern, bis der Besuch kommen sollte. Ich ging witternd und mit gespitzten Ohren im Flur auf und ab. Schließlich hielt ein Auto vor dem Hoftor und zwei Männer stiegen aus.
Gemeinsam kamen die beiden auf die Haustür zu. Der Eine verabschiedete sich von dem Anderen und ging zum Auto zurück. Der Andere, der wie der Kerl in meinem Alptraum stank, wartete noch, bis der Erste nicht mehr zu hören war, tastete dann nach dem Klingelknopf, wie es auch Carmen tut, weil sie blind ist. Dann wartete er noch ein bisschen. Doch genau in dem Augenblick, als er Sturmklingeln wollte, um uns alle zu erschrecken, schlug ich kräftig an. Wenn Einer mir so kommen will, muss er mehr auf Zack sein. Weil er mich hatte ärgern wollen und mir gewaltig stank, bekam dieser Wichtigtuer selbstverständlich nicht meinen freundlichsten Begrüßungston zu hören. Ich ließ ein
74 Knurren im Ansatz, gefolgt von einem lauten Bellen und einen grollenden Ausklang hören. Der Kerl erschreckte sich zwar und zögerte, aber er fand schnell seine Gelassenheit wieder und setzte zu seinem geplanten Sturmklingeln an.
„Emma, aus!“, brüllte Lena, als sie und Carmen gemeinsam die Treppe herunter kamen. Dieser gemeine, keifende Unterton hätte wirklich nicht sein müssen, obwohl ich gerade ungeheure Lust verspürte, bei meinem Drohen noch einen Zahn zuzulegen, aus tiefster Brust zu knurren und die Lefzen hörbar hochzuziehen. Gehorsam, wie ich nun einmal bin, stellte ich meinen Protest gegen diesen ekelhaften Typen sofort ein und verzog mich unter den Wohnzimmertisch. Dort wartete ich auf die Menschen. Ich konnte nicht abhauen. Schließlich musste ich ja herausfinden, ob sich mein Alptraum bewahrheiten würde. Bei Menschen weiß man nie, was sie so anstellen.

Eine Zeit lang unterhielten sich die Menschen im Flur. Als ich die Stimme des Mannes hörte, fiel mir plötzlich ein, woher ich ihn kannte. Ich erinnerte mich mit Schaudern daran, dass er einmal mit Carmen ausgegangen war, als ich noch ein Welpe gewesen war. Es war damals ein sehr langer Abend in einer Kneipe in der Innenstadt geworden. Er hatte viel auf Carmens Kosten getrunken. Und er hatte geredet und geredet. — Wen er kennt, was er weiß, wie schön er ist, wie klug er ist.‘.. — Er heißt übrigens Horst.
Er ließ sich von Lena ins Wohnzimmer führen und setzte sich auf das Sofa. Leider hatte er mich wohl
gehört, weil ich mich nicht absolut still verhalten kann. Ich bin ja noch nicht tot. Er beugte sich zu mir herunter, tätschelte meine linke Seite und begann, auf mich einzureden.
„Wie schön, dass wir uns wiedersehen. Braver Hund, Emma.“

Carmen und Lena kamen mit dem Kuchen ins Wohnzimmer und setzten sich Horst gegenüber an den Tisch. Das passte ihm nicht. Und ich erinnerte mich daran, dass er damals in der Kneipe allzu gern mit Carmen auf Tuchfühlung gegangen war. Ich spürte heute Nachmittag, wie sehr er sich über die Distanz zu seinen Artgenossinnen ärgerte, genauso wie er sich damals über Carmens vorsichtigen Rückzug auf die andere Seite des Tisches geärgert hatte.
Er tätschelte wieder und wieder meine Seite. Dann begann er wieder auf mich einzureden: „Na, Emma, wie geht es uns bei dieser Hitze denn so, Dicke?“
Lena war so dumm, auf dieses Gerede zu reagieren, indem sie sagte: „Ja, das ist so eine Sache bei dieser Art von Hunden. Ich denke auch oft, dass die Emma zu dick und schwerfällig ist.“
Doch Carmen sagte das, was ich dachte: „Das, was die Emma auf ihren kräftigen Knochen hat, ist reines Muskelfleisch. Wovon sollte sie auch zu dick sein? Sie trainiert fleißig im Hundeverein und ist auch sonst nicht faul.“
Endlich ließ er von mir ab. Das Thema war fürs Erste erledigt. Doch er redete und redete.

Beim Kaffeetrinken langten Horst und Lena kräftig zu. Und sie hing förmlich an seinen Lippen. Was die an diesem „Stinkstiefel“, wie Menschen so sagen, findet? Schließlich kam er zum Grund seines Besuches und erzählte, dass er für sich und seine Haustiere eine neue Bleibe suchte. Nach dem Auszug seiner Freundin kann er sich die Miete für die Wohnung, in der er gerade lebt, nicht mehr leisten. Und natürlich zeigten meine Frauchen ihm nach dem Kaffeetrinken das ganze Haus, vom Keller bis zum Dachboden. Carmen tat es aus Gutmütigkeit und verhielt sich sehr zurückhaltend. Lena tat es aus wachsender Begeisterung für diesen Kerl. Sie wurden sich handelseinig und stießen beim Grillen auf die neue Hausgemeinschaft an. Er wird also mit seinen beiden Katzen und seinem Blindenführhund in zwei Wochen bei uns einziehen.

Kaum war das geklärt, begann er wieder ohne Unterlass zu reden. — Wen er kennt, was er weiß, wie schön er ist, wie klug er ist… Er unterbrach sich selbst nur kurz, um zu trinken. Er redete auch mit halb vollem Mund weiter. Er ist das, was Menschen einen Schaumschläger oder Dünnbrettbohrer nennen. Ich meine:
„Er ist ein Luftbeißer und Wasserschnapper.“

Wenn er doch wenigstens seine Hündin mitgebracht hätte. Dann hätten wir einander schon einmal beschnuppern und ein Gespräch von Hündin zu Hündin über die neue Hausgemeinschaft und die gemeinsame Zukunft führen können. Aber was konnte man von so einem schon erwarten?
Es war bereits dunkel, als sena und ich Horst zur Bushaltestelle begleiteten. Auf dem Rückweg begann Lena mit mir zu schimpfen: „Was ist los mit Dir, alte Miesepeterin? Du hast ja zu überhaupt nichts mehr Lust, faules Stück.“
Und ich dachte so bei mir: „Ich bin nicht faul. Und da gibt es einige Sachen, auf die ich richtig Lust habe, ein kühles Bad im hauseigenen Gartenteich, ungewürztes Fleisch, vielleicht sogar mit einem Knochen und eine unkomplizierte Hausgemeinschaft mit Leuten und Tieren, die nicht stinken.“

Liebe Grüße

Paula Grimm

Facebook

Autor: Paula

Paula Grimm ist das Pseudonym, das die Autorin seit 2012 im Gedenken an ihre mutter Gertrud Maria Paula Quenel geb. Grimm verwendet. Bei der Paula, geb. am 24.12.1965, geht es immer prosaisch zu.

Kommentar verfassen